Peter Schulthess

Psychotherapie international

Bericht aus der EAP (European Association for Psychotherapy)

Am 18. und 19. Oktober 2014 fanden in Vilnius (Litauen) die Meetings der EAP statt. Bisher trafen sich die verschiedenen Kommissionen und der Vorstand 3-mal jährlich für 2 Tage. Oft führte das zu wenig zufrieden stellendem Zeitdruck. Ab 2016 soll es deshalb nur noch 2 Meeting-Termine geben, dafür 3-tägig. Davon erhofft man sich mehr Effektivität und zugleich eine Kostenersparnis.

Bezüglich Einordnung der Psychotherapieausbildung in das Raster des EQF („European Qualification Framework“, zu Deutsch: „Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen“) finden Diskussionen statt, welchem Level die Ausbildung gemäss EAP-Richtlinien zugeordnet werden kann und was es gegebenenfalls für Anpassungen brauchen würde. Dieser Qualifikationsrahmen ist eine Initiative der EU mit dem Ziel, berufliche Qualifikationen und Kompetenzen in Europa vergleichbar zu machen. Angestrebt wird Level 7 (Masterstudium oder Äquivalent). Dazu wird es jedoch noch Anpassungen brauchen.

Die Arbeitsgruppe zu den Sicherheitsnormen für Therapien via Internet (z.B. skype) kann noch keine Resultate präsentieren. Das Thema bleibt pendent.

Zur Frage, ob die EAP eine ähnliche Richtlinie zur Abgrenzung von Psychotherapie zu esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden bräuchte, wie jene, die das österreichische Bundesministerium für Gesundheit im Sommer 2014 erlassen hat (vgl. weiter unten), wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, zusammengestellt aus Exponenten konträrer Positionen. Sie soll anlässlich des nächsten Treffens im Februar in Wien Bericht erstatten.

Das Science und Research Committee der EAP (SARC) hat einen neuen Vorsitzenden erhalten: Peter Schulthess, Schweiz. Ich erhoffe mir davon die Nutzung der enormen Ressourcen dieses europäischen Dachverbandes für europaweite praxisnahe Forschung.

Eine weitere Arbeitsgruppe wurde eingesetzt zur Frage, wie man die Ukrainischen KollegInnen in ihrer schwierigen Arbeit zur Trauma Bewältigung in der betroffenen Bevölkerung unterstützen kann.

An der Mitgliederversammlung wurde bekannt gegeben, dass der innerzypriotische Konflikt zweier Fachorganisationen (anlässlich der EAP Meetings 2013 in Larnaca deutlich spürbar) beigelegt werden konnte und sie nun mit einer Stimme, geeint in einer gemeinsamen Dachorganisation, in der EAP die Interessen der zypriotischen PsychotherapeutInnen vertreten können.

Das Finanzvermögen der EAP beläuft sich derzeit auf 500'000 Euro, einem neuen Rekord. Die Einnahmen übertrafen das budgetierte Mass.

Eine Kampfabstimmung gab es zur Frage, ob das Büro der EAP weiterhin in der SFU (Sigmund Freud Privatuniversität Wien) angesiedelt bleiben soll. Die SFU bezieht im Februar 2015 einen Neubau. Die EAP hätte dort nach Plan des Executive Committees und seines Generalsekretärs Alfred Pritz (der zugleich Rektor der SFU ist) Räume mieten sollen. Dagegen wurde an der Versammlung Protest laut. Mehrere Personen stossen sich seit längerem an dieser Verquickung beider Institutionen. Die SFU ist weder Mitglied der EAP noch ist die EAP Teil der SFU. Die Verbindung ist lediglich durch erwähnte Personalunion gegeben. Es wird darin von manchen ein Interessenkonflikt gesehen. Kritiker dieser Verbindung stellten den Antrag, dass der Umzug der SFU als Gelegenheit wahrgenommen werden solle, für das EAP Sekretariat örtlich getrennte Räume zu suchen. Der Antrag wurde nach heftiger Diskussion angenommen.

Belgien: Neues Psychotherapiegesetz

In Belgien ist gelungen, was uns in der Schweiz verwehrt blieb: Ein Psychotherapiegesetz, das die Psychotherapie als freien Beruf in eigenen Rechten regelt. Als Einstieg in die Weiterbildung zur Psychotherapie ist ein Bachelor in Gesundheitsberufen, Psychologie oder Sozialwissenschaften festgelegt. Es gibt ein breites Spektrum anerkannter Therapierichtungen.

Damit steigt die Zahl der Länder in der EU, die Psychotherapie regeln und dabei die Psychotherapie nicht als ausschliesslich psychologischen Beruf sehen.

Österreich: Richtlinie zur Abgrenzung von Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden

Aufgrund zahlreicher Beschwerden von PatientInnen, welche zur Feststellung von Verstössen mancher PsychotherapeutInnen gegen den ethischen Berufskodex führten, sah sich das österreichische Bundesministerium für Gesundheit auf der Grundlage eines Gutachtens des Psychotherapiebeirates veranlasst, eine gemeinsam mit den relevanten Verbänden erarbeitete „Richtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Frage der Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden“ zu erlassen. Der Fokus sei in dieser Abgrenzung auf die psychotherapeutische Beziehung unter Wahrung der psychotherapeutischen Berufsethik und der Psychotherapie als wissenschaftlich fundierter Krankenbehandlung zu richten.

Gestützt auf den Berufskodex betreffend Schutz der spezifischen psychotherapeutischen Beziehung wird festgehalten, „dass die persönliche Weltanschauung, wie z. B. auch die religiöse Einstellung, der PsychotherapeutIn nicht aktiv steuernd in den Behandlungsprozess einfliessen darf“ (S. 3). „ ... wenn PatientInnen das Thema Religion, Gebete, spirituelle Rituale als für sie wesentlich „in die Stunde bringen“, gilt es – wie wohl bei allen anderen Themen auch - gemeinsam mit der PatientIn zu verstehen, welche Bedeutung dieses für sie (ihn) und in ihrem (seinem) Leben hat und unter Umständen Bezug zur konkreten (Leidens-) Situation herzustellen.

Aktives Einbringen solcher Ansätze und Handlungen wie beispielsweise Gebete, esoterische Rituale durch die PsychotherapeutIn verstösst gegen die psychotherapeutische Berufsethik.“ (S. 4).

Bezüglich der Psychotherapie als wissenschaftlich fundierter Krankenbehandlung wird u.a. festgehalten, „dass PsychotherapeutInnen sowohl durch das Psychotherapeutengesetz als auch den Berufskodex grundsätzlich angehalten sind, wissenschaftlich anerkannte Methoden im Kontext der Psychotherapie anzuwenden, wobei auch nicht jede in anderen Fachkontexten wissenschaftlich anerkannte Methode unter die zur psychotherapeutischen Krankenbehandlung wissenschaftlich anerkannten Methoden gerechnet werden darf.“ (S. 5).

Es wird festgestellt, „dass weder Gebete, religiöse Rituale oder Vergebensarbeit noch andere religiös, spirituell oder esoterisch begründete Handlungen zu einer umfassenden und stringenten psychotherapeutischen Methode, die eine geplante Krankenbehandlung ermöglicht, gehören kann. Dasselbe gilt auch für Psychotherapie, die mit dem Ziel der Persönlichkeitsentwicklung durchgeführt wird.“ (S. 6).

Im Oktober 2014 wurden ergänzende Informationen des Ministeriums zur Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für PsychotherapeutInnen publiziert.

Hier wird ausgeführt: „Psychotherapie im Gesundheitswesen ist ein eigenständiges Heilverfahren für die umfassende, bewusste und geplante (Kranken-)Behandlung von psychisch, psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden. Auch Fort- und Weiterbildungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen daher einen wissenschaftlichen Kontext aufweisen.

Angebote, die sich beispielsweise mit parapsychologischen Phänomenen, Reinkarnationserfahrungen, spirituellen Phänomenen (wie Kundaliniprozessen, Chakrenöffnungen oder Egotoderfahrungen), dämonischen Kräften, höheren Mächten oder göttlichen Grundwirklichkeiten beschäftigen oder „Meister“, „Schamanen“ bzw. „Gurus“ bemühen, können jedenfalls nicht als mit der Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten des Bundesministeriums für Gesundheit in Einklang stehend angesehen werden.

Es handelt sich vielmehr um Inhalte, die in den „esoterischen“, spirituellen bzw. religiösen Bereich fallen...“.1

Diese Richtlinie hat in Österreich selber wenige Proteste ausgelöst, einzig von einer kleinen Gruppe von PsychotherapeutInnen, die sich gerne zugleich als Schamanen sehen und nicht einsehen wollen, warum sie dies nicht kombinieren dürfen. Ausserdem von einer Gruppe transpersonaler Psychotherapeuten. Sie sprechen von einem unzulässigen staatlichen Eingriff und die Freiheit der Berufsausübung.

Innerhalb der EAP hat diese Richtlinie höhere Wellen als in Österreich geschlagen. Auf die Anfrage des Generalsekretärs, ob die EAP vielleicht auch so eine Richtlinie benötigen würde, entstand ein riesiger mail-Verkehr, in welchem die Richtlinie zumeist in Bausch und Bogen als unzulässiger staatlicher Eingriff in die Psychotherapie, deren Lehre, Fortentwicklung und Berufsausübung kritisiert wurde (meist aus der Ecke von Personen, die der transpersonalen Psychotherapie nahe stehen oder diese innerhalb der EAP als Verfahren anerkennen wollen). Nur wenige verteidigten die Richtlinie im Interesse des Patientenschutzes und der wissenschaftlichen Fundierung der Psychotherapie und befürworten deshalb eine Abgrenzung. Eine kontrovers zusammengesetzte Arbeitsgruppe (welcher auch der Schreibende angehört) soll eine fundierte Stellungnahme zu dieser Richtlinie anfertigen, in welche alle Aspekte aus fachlicher Sicht einfliessen sollen.

Krise in der Ukraine: psychotherapeutische Vorgehensweisen

Nach einer „round table“ Veranstaltung im Sommer 2014 in Kiew luden SFU und EAP auf den 5./6. Dezember 2014 zu einer Konferenz „Crisis in Ukraine – psychotherapeutic approaches“ nach Wien ein.

Verschiedene Präsentationen wurden gehalten:

Ivana Slavkovic (Serbien): „Women in Armed Conflicts“

Egenijus Laurinaitis (Littauen): „Worlds order inside and outside – can psychotherapy help in our times“?

Nach diesem eher akademischen Auftakt erfolgte der Einstieg in den zweiten Tag anhand zweier Video Präsentationen: „20 years with the most vulnarable“, einem Dokumentarfilm über die 20 jährige Arbeit der kroatischen NGO „Rehabilitation Center for stress and trauma Zagreb“, sowie „What happened at the Maidan“ ein Dokumentar-Video (teils mit Aufnahmen von an Polizisten festgemachten Kameras währen deren Einsatzes) präsentiert durch einen österreichischen Cineasten. Diese beiden Einstiege berührten emotional und machten betroffen.

Die Vorträge wurden danach weitergeführt:

Alexander Filtz (Ukraine): „Does psychotherapy help in the Ukrainian-Russian Conflict?“ Er zeigte u.a. auf, wie hoffnungslos überfordert die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung ist, auch in seiner eigenen Klinik. Der Bedarf übersteige bei weitem das Angebot und die Helfer selbst seien oft auch traumatisiert.

Victor Makarov (Russland): „Social Psychotherapy – Horizons of Development“. Er lenkte den Blick (als Präsident des allrussischen Psychotherapeutenverbandes) auf beide Seiten des Konfliktes. Not und Traumatisierung herrsche nicht nur in der Ukraine, sondern auch auf der Krim und in der umkämpften Ost-Ukraine. Seine Organisation betätige sich mit Unterstützungsprojekten auch ausserhalb Russlands.

Mikhail Reshenitokov (Russland, Psychiater und ehemaliger KGB Offizier – nicht deklariert im CV) sollte eigentlich zu „Group Psychic Trauma and Group Pathology“ sprechen, verfing sich aber dann länger in einer historischen (russischen) Sicht, welche verständlich machen sollte, dass die Krim eben wieder russisch sein müsse und die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine eben auch lieber russisch sein möchte. – Wiedervereinigung aller russischsprachigen Gebiete in ein Grossrussland, psychologisch begründet? Das weckte im Publikum heftigen Unmut.

Svetlana Uvarova (Ukraine): „Optimistic Tragedy oft he Ukraine“. Sie verglich die Orangene Revolution von 2004 und die Maidan Bewegung 2014/15 und sieht als Psychoanalytikerin viel kreatives Potential in der Maidan Bewegung, was trotz aller Tragödie Anlass zum Optimismus gebe.

Roman Kechur (Ukraine): „Inner Conflict or the act of aggression between psychic and legal“. Er erörterte, dass es manchmal darum gehe, die Grenzen des Legalen zu überschreiten, um zu Veränderung zu gelangen. Das sei besser als psychischen Druck in sich zu halten und Aggression zu Autoaggression werden zu lassen.

Natalia Nalyvaiko (Ukraine): „Way out of Crisis“. Sie betonte, dass beide Kriegsparteien sich auf eine Konfliktlösung einigen sollten, die konkreten Schritte aber separat gemacht werden müssten, als Verbindlichkeit gegenüber der gemeinsam anvisierten Lösung.

Jakov Obukov-Kosarovitsky (Russland): „A successful experience uniting psychotherapists in Russia and various regions within Ukraine in consideration of the crisis in 2014“. Er berichtete über erfolgreiche Kooperationen von Psychotherapeuten über Ländergrenzen hinweg, trotz militärisch-politischem Konflikt.

Danach schloss Alfred Pritz den Reigen der Vorträge mit dem Thema „Civil War and the Loss of National Identity“, wobei er das (ausgehend von Zerfall der UdSSR) am früheren Beispiel des Zerfalls des österreichischen k.u.k.-Reiches und den Leiden und Schwierigkeiten hierzulande zeigte. Nationenbildung sei ein Langzeitprozess.

Den Abschluss bildete ein Panel mit öffentlicher Diskussion. es wurde kritisch reflektiert, wie wenig es brauche, dass man als Psychotherapeut so in den Konflikt gezogen werde, dass man Partei und somit Teil des Problems werde und den fachlichen Blick verliere. Manche ukrainischen PsychotherapeutInnen äusserten ihren Unmut darüber, dass hier theoretisiert und akademisiert wurde. Sie hätten Hilfe für ihre Arbeit erwartet, Intervision und Unterweisung, wie sie besser arbeiten könnten. Immerhin führte das zu einigen Angeboten, die via Skype-Supervision und möglichen Kursen in der Ukraine umgesetzt werden sollen.

Der russisch-ukrainische Dialog unter Psychotherapeuten wurde nicht besser, sondern es wurde sichtbar, wie verhärtet er geworden ist.

Zu guter Letzt wurde eine Deklaration verabschiedet, die hier im englischen Originaltext wieder gegeben sei. Sie ist auf der Website der EAP aufgeschaltet (www.europsyche.org) und kann dort elektronisch mitunterzeichnet werden.

Vienna Declaration dated 6th of December 2014 „Crisis in the Ukraine - psychotherapeutic approaches“

Anmerkungen

1 Zitate aus:

BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (2014): Richtlinie für Psychotherapeuten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Frage der Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden. Wien

BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (2014): Ergänzende Information des BMG zur Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Wien