Psychotherapie International
Bericht aus der EAP (European Association for Psychotherapy)
An den EAP-Meetings vom 20. und 21. Februar 2015 musste unter anderem der Posten des Generalsekretärs für eine neue Amtsperiode von zwei Jahren besetzt werden. Da Prof. Alfred Pritz diesen Posten schon weit über 10 Jahre ausfüllt, muss die Mitgliederversammlung (MV) jeweils erst beschliessen, ob seine Amtsdauer nochmals um zwei Jahre verlängert werden kann, bevor das General Board (der erweiterte Vorstand) ihn allenfalls wählen kann. Dies wurde an der MV vom Herbst 2014 versäumt. Kurzfristig und erstmalig hat der Präsident einberufen, wo es einzig zu beschliessen gab, ob der Generalsekretär im Falle seiner Wahl das Amt weiter ausführen dürfte. Es wurde schon verschiedentlich berichtet, dass es Widerstand gibt gegen die Wiederwahl über so viele Jahre und ein Wechsel im Sinne einer sich erneuernden Organisation fällig wäre (u.a. von der ASP seit Jahren vorgebracht). Es gibt aber auch eine grosse Zahl von Kollegen/-innen, die sich offenbar eine EAP ohne Pritz als Generalsekretär nicht vorstellen können. Zum ersten Mal gab es Gegenkandidaten, sodass eine spannende Wahl erwartet werden durfte. Die ausserordentliche MV beschloss mit grossem Mehr, dass Pritz im Falle seiner Wahl das Amt weitere 2 Jahre ausführen dürfe. Er kündigte — müde von den wiederholten Auseinandersetzungen um seine Interessenkonflikte (Rektor der Sigmund Freud Privat Universität und Generalsekretär der EAP) — an, dass dies sein letzte Periode sein werde und er sie nutzen wolle, um einen Stellvertreter aufzubauen, der ihn in zwei Jahren ersetzen könne. Die Stellvertreterstelle soll nun ausgeschrieben werden innerhalb des Verbandes. Entsprechend fiel auch die Wahl im General Board aus: Pritz setzte sich dank seiner Anhänger schon im ersten Wahlgang gegen seine profilierten Herausforderer durch. Die Aufrufe der Gegner, jetzt für einen Wechsel zu sorgen und nicht erst in zwei Jahren, stiessen bei der Mehrheit auf taube Ohren. Wenn das nur gut kommt, wenn eine so grosse Organisation derart personenabhängig ist.
Auf einem verteilten Prospekt wurde ersichtlich, dass die EAP eine Konferenz des allrussischen Psychotherapieverbandes auf der Krim zur Ukrainefrage als Partnerinstitution unterstützt. Das erzeugte einigen Unmut. Der Vorstand wurde zu dieser politisch delikaten Partnerschaft nie befragt. Der Generalsekretär entschied das mit seinem allrussischen Kollegen Makarow in eigener Regie. Der Vorstand verlangte eine Diskussion und beschloss, dass die EAP sich als Partnerorganisation zurückziehen solle, auch wenn die Prospekte schon gedruckt seien. Insbesondere die ukrainischen Kollegen empfanden es als Affront, einen Kongress in der russisch besetzten Krim durchzuführen. Mag es beim allrussischen Verband eine bewusste Strategie sein, genau in die besetzte Krim zu gehen, so muss dem Generalsekretär mangelnde politische Sensibilität vorgeworfen werden. Die EAP trüge so dazu bei, die russische Annexion anzuerkennen, und würde sich der Möglichkeit berauben, als Berufsverband vermittelnd zu wirken.
In heftiger Diskussion steht die Revision der Bestimmungen zur Aus- und Weiterbildung in Psychotherapie. Die EAP verlangt bisher einen Bachelorabschluss oder ein Äquivalent plus anschliessend 4 Jahre Psychotherapieausbildung (also 7 Jahre Ausbildungszeit), während die Sigmund Freud Privat Universität (SFU) diese auf 5 Jahre reduzieren will, da man im Direktstudium in Psychotherapiewissenschaften in Österreich nach Abschluss der SFU nach 5 Jahren (Bachelor und Master) als Psychotherapeut eine Praxisbewilligung erhält. Andere Universitäten verfolgen das Modell 3 (Bachelor) + 2 (Master) + 2 (Postgraduate). Sie werfen dem Generalsekretär vor, die eigenen Ausbildungsnormen der EAP aus Geschäftstüchtigkeit für seine Privatuni zu missachten.
Belgien: Neues Psychotherapiegesetz
In Belgien ist gelungen, was uns in der Schweiz verwehrt blieb: ein Psychotherapiegesetz, das die Psychotherapie als freien Beruf in eigenen Rechten regelt. Als Einstieg in die Weiterbildung zur Psychotherapie ist ein Bachelor in Gesundheitsberufen, Psychologie oder Sozialwissenschaften festgelegt. Es gibt ein breites Spektrum anerkannter Therapierichtungen.
Damit steigt die Zahl der Länder in der EU, die Psychotherapie gesetzlich regeln und dabei die Psychotherapie nicht als ausschliesslich psychologischen Beruf sehen.
Österreich: Richtlinie zur Abgrenzung von Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden
Aufgrund zahlreicher Beschwerden von Patienten/-innen, welche zur Feststellung von Verstössen mancher Psychotherapeuten/-innen gegen den ethischen Berufskodex führten, sah sich das österreichische Bundesministerium für Gesundheit auf der Grundlage eines Gutachtens des Psychotherapiebeirates veranlasst, eine gemeinsam mit den relevanten Verbänden erarbeitete «Richtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Frage der Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden» zu erlassen. Der Fokus sei in dieser Abgrenzung auf die psychotherapeutische Beziehung unter Wahrung der psychotherapeutischen Berufsethik und der Psychotherapie als wissenschaftlich fundierter Krankenbehandlung zu richten.
Gestützt auf den Berufskodex betreffend Schutz der spezifischen psychotherapeutischen Beziehung wird festgehalten, «dass die persönliche Weltanschauung, wie z. B. auch die religiöse Einstellung, der PsychotherapeutIn nicht aktiv steuernd in den Behandlungsprozess einfliessen darf» (S. 3). « ... wenn PatientInnen das Thema Religion, Gebete, spirituelle Rituale als für sie wesentlich ‹in die Stunde bringen›, gilt es – wie wohl bei allen anderen Themen auch – gemeinsam mit der PatientIn zu verstehen, welche Bedeutung dieses für sie (ihn) und in ihrem (seinem) Leben hat und unter Umständen Bezug zur konkreten (Leidens-)Situation herzustellen.
Aktives Einbringen solcher Ansätze und Handlungen wie beispielsweise Gebete, esoterische Rituale durch die PsychotherapeutIn verstösst gegen die psychotherapeutische Berufsethik...» (S.4).
Bezüglich der Psychotherapie als wissenschaftlich fundierter Krankenbehandlung wird u.a. festgehalten, «dass PsychotherapeutInnen sowohl durch das Psychotherapeutengesetz als auch den Berufskodex grundsätzlich angehalten sind, wissenschaftlich anerkannte Methoden im Kontext der Psychotherapie anzuwenden, wobei auch nicht jede in anderen Fachkontexten wissenschaftlich anerkannte Methode unter die zur psychotherapeutischen Krankenbehandlung wissenschaftlich anerkannten Methoden gerechnet werden darf.» (S. 5).
Es wird festgestellt, «dass weder Gebete, religiöse Rituale oder Vergebensarbeit noch andere religiös, spirituell oder esoterisch begründete Handlungen zu einer umfassenden und stringenten psychotherapeutischen Methode, die eine geplante Krankenbehandlung ermöglicht, gehören kann. Dasselbe gilt auch für Psychotherapie, die mit dem Ziel der Persönlichkeitsentwicklung durchgeführt wird.» (S. 6).
Im Oktober 2014 wurden ergänzende Informationen des Ministeriums zur Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeuten/-innen publiziert.
Hier wird ausgeführt: «Psychotherapie im Gesundheitswesen ist ein eigenständiges Heilverfahren für die umfassende, bewusste und geplante (Kranken-)Behandlung von psychisch, psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden. Auch Fort- und Weiterbildungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen daher einen wissenschaftlichen Kontext aufweisen.
Angebote, die sich beispielsweise mit parapsychologischen Phänomenen, Reinkarnationserfahrungen, spirituellen Phänomenen (wie Kundaliniprozessen, Chakrenöffnungen oder Egotoderfahrungen), dämonischen Kräften, höheren Mächten oder göttlichen Grundwirklichkeiten beschäftigen oder ‹Meister›, ‹Schamanen› bzw. ‹Gurus› bemühen, können jedenfalls nicht als mit der Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten des Bundesministeriums für Gesundheit in Einklang stehend angesehen werden.
Es handelt sich vielmehr um Inhalte, die in den ‹esoterischen›, spirituellen bzw. religiösen Bereich fallen...».1
Diese Richtlinie hat in Österreich selber wenig Proteste ausgelöst, einzig von einer kleinen Gruppe von Psychotherapeuten/-innen, die sich gerne zugleich als Schamanen sehen und nicht einsehen wollen, warum sie dies nicht kombinieren dürfen, ausserdem von einer Gruppe transpersonaler Psychotherapeuten. Sie sprechen von einem unzulässigen staatlichen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung.
Innerhalb der EAP hat diese Richtlinie höhere Wellen geschlagen als in Österreich. Auf die Anfrage des Generalsekretärs, ob die EAP vielleicht auch so eine Richtlinie benötigen würde, entstand ein riesiger E-Mail-Verkehr, in welchem die Richtlinie zumeist in Bausch und Bogen als unzulässiger staatlicher Eingriff in die Psychotherapie, deren Lehre, Fortentwicklung und Berufsausübung kritisiert wurde (meist aus der Ecke von Personen, die der transpersonalen Psychotherapie nahe stehen oder diese innerhalb der EAP als Verfahren anerkennen wollen). Nur wenige verteidigten die Richtlinie im Interesse des Patientenschutzes und der wissenschaftlichen Fundierung der Psychotherapie und befürworten deshalb eine Abgrenzung. Eine kontrovers zusammengesetzte Arbeitsgruppe (welcher auch der Schreibende angehört) soll eine fundierte Stellungnahme zu dieser Richtlinie anfertigen, in welche alle Aspekte aus fachlicher Sicht einfliessen sollen. An der Versammlung wurde ein Zwischenbericht über den Stand der Diskussionen dieser Arbeitsgruppe gegeben und in Aussicht gestellt, dass nächstes Jahr zu diesem Thema eine Tagung einberufen werden soll, damit ein möglichst grosser Kreis praktizierender Psychotherapeuten/-innen aus den europäischen Ländern sich an der Diskussion beteiligen kann und nicht nur die Verbandsfunktionäre.
Peter Schulthess
1 Zitate aus:
BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (2014): Richtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Frage der Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden. Wien
BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (2014): Ergänzende Information des BMG zur Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Wien