Gabriela Rüttimann
Just ein paar Tage vor unserer Mitgliederversammlung schien sich das Projekt «Psychotherapie in die Grundversicherung» in Luft aufzulösen. Es war deshalb nicht anders zu erwarten, als dass wir uns den aufgestauten Fragen und dem Unmut unserer Mitglieder stellen mussten.
Zwanzigjährige Leidensgeschichte
Als Einstieg in die Diskussion war es notwendig, sich den Gang der Dinge nochmals vor Augen zu führen. Die leidige Geschichte nahm bereits unter Bundesrätin Ruth Dreifuss ihren Anfang, das heisst, sie ist über 20 Jahre alt. Dreifuss hatte versprochen, dass der Weg frei sei für den Zugang zur Grundversicherung, sobald die ordentliche Akkreditierung der Weiterbildungsinstitute einmal in trockenen Tüchern sei. Nachdem zunächst nichts geschah, kam nach dem Bundesbeschluss zur Einführung des Psychologieberufegesetzes PsyG im Jahr 2013 und der provisorischen Akkreditierung der Weiterbildungsinstitute Bewegung in die Sache. Der direkte Zugang in die Grundversicherung war kein Thema, jedoch wurde uns ein Anordnungsmodell schmackhaft gemacht. Im Unterschied zum Delegationsmodell, bei dem Psychotherapeut/innen einem/r Psychiater/in unterstellt sind, der/die über die Grundversicherung abrechnet, sollte eine Psychotherapie nach wie vor ärztlich verordnet werden müssen, jedoch ohne Umweg über einen Arzt mit der Grundversicherung abgerechnet werden können.
Von Seiten des Eidgenössischen Departements des Innern EDI hiess es, dass im Herbst 2014 die Verordnung für ein Anordnungsmodell stehen werde. Seit diesem Zeitpunkt werden wir von Jahr zu Jahr vertröstet, ohne dass etwas geschehen wäre. Wir von den Verbänden haben uns in einer «Tarifgruppe» zusammengeschlossen, wo wir viel gearbeitet und Vorbereitungen für Tarifverhandlungen getroffen haben. Wir sind bereit für Verhandlungen auch mit der santésuisse.
Ende letzten Jahres hiess es plötzlich, das EDI sei mit dem Entwurf des BAG soweit einverstanden, dass er in einer Subkommission der Psychologieberufekommission PsyKo, in der ich die Psychotherapieverbände repräsentiere, zur Anhörung vorgelegt werden könne. Auch dieser Termin wurde wieder auf April 2018 verschoben. Inzwischen hatte die FSP einen Gesprächstermin bei einer Vertretung des BAG und einer Dreierdelegation des EDI erwirkt, wo ihr verkündet wurde, das Projekt sei sistiert. Bundesrat Berset befürchte eine Mengenausweitung, die gegenwärtig politisch gesehen keine Chance hätte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings niemand einen Verordnungsentwurf zu Gesicht bekommen.
Unsere eigenen Recherchen ergaben, dass sowohl die PsyKo Geschäftsstelle wie auch das BAG von nichts wussten oder wissen wollten. Das BAG hielt an den vorgesehenen Anhörungsterminen fest und verkündete gegenüber den Medien, die inzwischen die Geschichte aufgegriffen hatten, die Gespräche würden weitergehen. Allen Beteiligten war klar, dass wir dieses Vorgehen nicht weiter tolerieren wollten. Auch wenn unser Lobbyist die Empfehlung abgab, ruhig zu bleiben, war ein Punkt erreicht, an dem die Empörung über diese despektierliche Behandlung einfach zu gross war. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der Ausgang der Geschichte ungewiss.
Gespenst Mengenausweitung
Das Argument, eine Mengenausweitung um jeden Preis verhindern zu wollen, macht Bundesrat Berset und die politische Ebene allgemein blind für jegliche Argumente, die für einen Modellwechsel sprechen würden. Sowohl volkswirtschaftliche wie soziale Kriterien werden ausgeblendet und Entscheidungen entweder der politischen Grosswetterlage oder kurzfristigem, auf die gegenwärtige Legislatur ausgerichtetem Denken untergeordnet. Leidtragende sind die zahlreichen Patient/innen, denen der Zugang zu einer Psychotherapie verwehrt bleibt oder die sich allzu lange gedulden müssen, bis sie einen Termin ergattern können.
Als Berufsverband ist es unsere Aufgabe, uns für bestmögliche Konditionen für Psychotherapeut/innen einzusetzen. Wie ein Entscheid auch ausfallen mag, die Anstrengungen gehen in eine nächste Runde.
Gabriela Rüttimann ist Präsidentin der ASP