Mahler, Jean (2018): Anne – une mort choisie
Lausanne: Edition Ouverture (Collection «son mot à dire …»),
104 Seiten, 15,00 Franken
https://doi.org/10.30820/8245.15
Anne ist die Tochter von Jean Mahler. Sie verliert mit 43 Jahren ihren Lebenspartner als Folge einer Krebserkrankung und erfährt ein Jahr später, dass sie selbst an Krebs erkrankt ist und es keinerlei Hoffnung auf Heilung gibt. Beide waren Arzt und Ärztin.
Jean Mahler beschreibt eindrücklich aus der Perspektive des Vaters beziehungsweise der Eltern, wie sich die Auseinandersetzung mit der Krankheit entwickelt. Diese mündet schliesslich im Entschluss der Tochter, Exit beizuziehen und den Zeitpunkt des Todes selbst zu wählen, um ihm nicht in immer grösser werdenden Schmerzen entgegensiechen zu müssen. Sie akzeptiert ihren unabwendbaren Tod, nimmt in die Hand, was sie selbst noch wählen kann und bewahrt so ihre Würde. Eindrücklich ist es, wie die konsultierten Ärzte und Ärztinnen verschiedene Therapien vorschlagen, wissend, dass keine erfolgversprechend ist, und am Schluss bekennen, dass sie Annes Entschluss verstehen können. Aber keine/r ist bereit, sie auf ihrem Weg zu begleiten. Einzig ihr Psychotherapeut ist dazu gewillt – und ihre Eltern, mit denen sie seit dem Tod ihres Partners zusammenlebt. Jean Mahler beschreibt in klarer und behutsamer Sprache detailliert den Prozess, den alle drei durchmachen, wie sie gemeinsam durch alle Phasen der Trauer gehen, wie es ihnen und auch der Schwester gelingt, voneinander Abschied zu nehmen, das Leben abzuschliessen bis hin zum Dabeisein im Moment des Eintritts des Todes.
Der Autor schreibt über den Tod, der ein Teil des Lebens ist. Oft ist dieses Thema noch heute tabuisiert (besonders der selbst gewählte Tod). Es ist dem Autor und dem Verlag zu danken, dass mit dieser Publikation ein berührendes Thema öffentlich gemacht und diskutiert werden kann. Das Schreiben diente sicher auch dazu, als Vater den Tod der Tochter zu verarbeiten, die Publikation dieses Einzelschicksals öffnet aber auch eine universelle Dimension und weckt Resonanzen, Berührtsein und Nachdenklichkeit bei den Leserinnen und Lesern.
Jean Mahler ist Psychotherapeut und ASP-Mitglied. In einem der letzten Kapitel beschreibt er, wie das Bekanntwerden des Todes seiner Tochter und die Begleitung durch den Vater sich auf einzelne seiner Therapien ausgewirkt hat und zu sehr berührenden und vertieften Sitzungen führte.
Danke Jean, dass du diese Erfahrung mit uns teilst. Ich empfehle dieses kleine Büchlein (Format: 11 x 16,2 cm) gerne zum Lesen. Es ist auf Französisch geschrieben, lässt sich aber bestens mit etwas Schul-Französisch-Kenntnissen auch von deutsch- und italienischsprachigen Kolleginnen und Kollegen lesen.
Peter Schulthess