Buchbesprechung

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2019-1-39

Simon Hofer (2018): Und jetzt erst recht.
Wie ich meine psychischen Probleme mit Kreativität in Erfolg umwandelte
Bern: Cameo, 212 Seiten, 21.30 EUR, 25.90 CHF

Simon Hofer erzählt in diesem Buch autobiografisch seine Entwicklungsgeschichte von einer als normal erlebten Kindheit in einer Arztfamilie zu aufkommenden Problemen in der Pubertät, die während der Lehrzeit zu einem psychotischen Zustand führten, der in einem mehrmonatigen Klinikaufenthalt behandelt werden musste. Insgesamt 22 Jahre (im Alter von 19 bis 41)war der Autor in psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung und medikamentöser Therapie. Er erlebte manche Rückfälle in Überlastungssituationen, bevor er 2014 nach einem Therapeutenwechsel, einer gelingenden Liebesbeziehung und einer Konsolidierung im Beruf als selbstständiger Grafiker als geheilt gelten konnte, das heisst, keine weitere Therapie oder Medikamente mehr brauchte.

Mit der Niederschrift und Publikation seiner Geschichte will er dazu beitragen, dass über psychische Leiden öffentlich gesprochen wird und um zu zeigen, dass auch bei Psychosen eine Heilung möglich ist. Er widmet es «aus tiefstem Herzen den unzähligen Millionen von Menschen, die täglich noch immer mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.» Das Buch will eine Türe zu Hoffnung sein.

Anschaulich wird die Geschichte eines sensiblen Jungen, der eher verträumt und kreativ begabt war, vermittelt. In der Kindheit erlebte er traumatisierende Spitalerfahrungen, die später wieder eine Rolle spielen sollten, als es um eine psychiatrische Klinikeinweisung ging. Schulisch ergaben sich in der Sekundarschule Schwierigkeiten, da er unter anderem mit Mathe gar nichts anfangen konnte. In der Familienkonstellation spielte er zwischen den Eltern und den beiden Geschwistern die Rolle des Ausgleichers und Harmonisierers. Er war emotional mehr mit der Mutter verbunden, vom Vater fühlte er sich oft allein gelassen. Sozial war er weniger eingebunden in Peergroups, galt als etwas speziell, wurde aber für seine Kreativität und musische Begabung sehr bewundert. In der Adoleszenz kam es zur Scheidung der Eltern und zugleich zu Leistungs- und Autoritätsproblemen an der Lehrstelle als Grafiker, was zu einer zu starken emotionalen Belastung führte, die in eine psychotische Dekompensation mündete. Eindrücklich schildert der Autor, wie er wiederholte Krisenzeiten und Panikzustände durchlebte. Sie führten ihn wiederholt an die Grenzen des Erträglichen.

Für uns PsychotherapeutInnen ist es spannend, diese Erlebnissicht seitens eines Patienten so geschildert zu bekommen, auch wie die Therapiebemühungen mit und ohne Medikamente unterstützend oder eben auch eskalierend wirkten. Insbesondere ein abrupter Medikamentenwechsel führte zu einer vermeidbaren weiteren psychotischen Krise. Das zeigt, wie sorgfältig PsychiaterInnen im Umgang mit Medikamenten sein sollten. Immerhin führte dies zu einem Wechsel des Psychiaters zu einem der offenbar auch mehr psychotherapeutisch und erklärend wirkte, was für den Patienten eine wichtige Integrationshilfe war. Berührend zeigt diese Geschichte auch, wie es letztlich Unabwägbarkeiten wie eine in der Klinik entstehende Liebesbeziehung sind, die zum Erfolg einer Therapie und zu Stabilisierung in einem Leben beitragen.

Simon Hofer ist nach all der Krankheitszeit ein sehr Psychiatrie erfahrener Mann, der mittlerweile beruflich erfolgreich und in einer gelingenden Beziehung lebt.

Das Buch ist so aufgebaut, dass seine erworbene Psychiatriekompetenz in an jedes Kapitel anschliessende Ratgeberseiten mit Tipps und Tricks einfliesst. So ist eine Publikation entstanden, die auf eindrückliche Weise eine autobiografische Schilderung durch tiefste seelische Krisen mit Selbsthilfetipps für andere an ähnlichen seelischen Belastungen Leidende verbindet. Simon Hofer zeigt, was er aus diesen Krisen und Erfahrungen gelernt hat und gibt dieses Wissen auch weiter. Am Ende des Buches finden sich ein gut verständliches psychiatrisches Glossar und einige Buchempfehlungen, die dem Autor geholfen haben. Auch Illustrationen, die von der grafischen und künstlerischen Begabung zeugen, sind enthalten.

Peter Schulthess