Evaluation von Psychotherapien der Auszubildenden in akkreditierten Lehrgängen

Tagungsbericht vom 19. Juni 2021, Zürich

Kurt Roth

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 7 (14) 2021 11–13

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2021-2-11

Die neue Akkreditierungsverordnung des BAG zum PsyG verlangt die systematische «Evaluation und Dokumentation des Therapieverlaufs und seiner Ergebnisse auf Patientenebene, Falldokumentation» der Psychotherapien, die von angehenden Psychotherapeut*innen im Rahmen der jeweiligen Weiterbildungsgänge durchgeführt werden. Dabei müssen mindestens zehn Fälle dokumentiert und evaluiert werden. Rund 40 Personen aus 20 Weiterbildungsinstituten und Berufsverbänden trafen sich deshalb an der von der ASP (Peter Schulthess, Veronica Defièbre, Josef Jung) organisierten Tagung im Glockenhof in Zürich, um sich mit der Frage, wie Psychotherapien evaluiert werden können, vertieft auseinanderzusetzen.

Peter Schulthess wies in seiner Begrüssung darauf hin, dass das BAG bezüglich der einzusetzenden Instrumente keine Vorgaben macht. Es überlässt dies den Anbietern der Weiterbildungsgänge, respektive den verantwortlichen Organisationen wie der FSP oder der ASP. Verlangt wird vom BAG aber, dass die eingesetzten Instrumente wissenschaftlich validiert sind. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Leitungen der Lehrgänge darüber austauschen, wie dieser neue Standard umgesetzt werden kann. Er wies auch darauf hin, dass die Ausbildungsinstitute die Schnittstelle zum Praxisfeld der angehenden Psychotherapeut*innen berücksichtigen sollten, das heisst, dass Kliniken und Ambulatorien bereits Evaluationsinstrumente einsetzen (z.B. in den Kliniken HoNOS und BSCL; siehe nachfolgend). In fünf Referaten wurden mögliche Messinstrumente und die Erfahrungen damit vorgestellt.

Barbara Ganz, Leiterin der Psychotherapieweiterbildung am Institut für Ökologisch-systemische Therapie und Jean-Baptiste Mauvais, Leiter der Fort- und Weiterbildung FSP, stellten die beiden Instrumente HoNOS und BSCL vor: Die HoNOS (Health of the Nation Outcome Scales) beurteilen aus Sicht der Therapierenden die Schwere der Symptombelastung einer Patientin, eines Patienten mit einem Fragebogen mit zwölf Items, vier Bereichen und fünf Schweregraden der Symptome (Fremdbeurteilung). Die BSCL (Brief Symptom Checklist) erfasst ebenfalls mittels eines Fragebogens die subjektiv empfundene Beeinträchtigung des Patienten, der Patientin durch 53 körperliche und psychische Symptome, die in neun Skalen zusammengefasst werden (Eigenbeurteilung).

Die Fragebogen werden heute standardmässig in den rund 60 Psychiatrischen Kliniken der Schweiz beim Klinikeintritt und -austritt eines Patienten, einer Patientin ausgefüllt und vom ANQ (Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken) ausgewertet. Drei Weiterbildungsinstitute unter dem Dach der FSP als verantwortliche Organisation arbeiten mit diesen beiden Instrumenten. Die Gründe dafür sind: Es sind sowohl national wie auch international anerkannte Instrumente; sie stehen in den drei Landessprachen zur Verfügung; der ANQ führt regelmässig Schulungen zu ihrer Anwendung durch; die Kosten sind relativ gering.

Sebastian Haas, Stv. Ärztlicher Direktor der Klinik Hohenegg und Leiter der Fortbildungen am Institut für Ökologisch-systemische Therapie, erläuterte PRISM-T (Pictorial Representation of Illness and Self Measure). Damit lassen sich Problemstellungen einfach und klar kommunizieren und schnell und zielführend lösen. Therapieziele werden transparent festgelegt und Veränderungen lassen sich messbar evaluieren. PRISM-T ist einfach in der Anwendung. Therapierende arbeiteten mit der validierten Fragemethodik und stellen Patient*innen eine weisse Platte und farbige Scheiben zur Verfügung, mit der Problemstellungen und -veränderungen visualisiert werden können. Auch das Institut für Ökologisch-systemische Therapie setzt das Instrument in der Weiterbildung zur Psychotherapie ein (mehr unter www.prismium.ch).

Peter Schulthess erläuterte den Prozess, den die fünf Weiterbildungsgänge (GFK, IPA, SGBAT, IRG, ISAP) im Konzept ASP Integral durchlaufen haben und der zu folgendem Ergebnis geführt hat: Zu Beginn und Ende der Therapie wird die BSCL als Selbstbeurteilung aus Patient*innensicht eingesetzt. Auf die Fremdbeurteilung mittels HoNOS wird verzichtet, da sie aus Sicht der Ausbildungsinstitute zu sehr auf die stationäre Psychiatrie ausgerichtet sind und Veränderungen in der ambulanten Praxis zu wenig empfindlich erfassen. Für die Outcome-Messung wird beim Abschluss der Therapie ein rückblickendes Gespräch anhand eines eigens entwickelten Leitfadens geführt, in dem die Patient*innen- und die Therapeut*innensicht im Sinne einer gemeinsamen Evaluation ausgetauscht werden. Das Gespräch wird dokumentiert. Im Zusammenhang mit der Reakkreditierung der Weiterbildungsgänge ASP Integral wurde das Evaluationskonzept dem BAG eingereicht. Man ist nun gespannt auf dessen Reaktion, respektive auf die Reaktion der zuständigen PsyG-Fachgruppe AAQ (Schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätssicherung).

Thorsten Jakobson vom AZPP (Ausbildungszentrum Psychoanalytische Psychotherapie Nordwestschweiz) stellte die Praxisstudie Analytische Langzeittherapien (veröffentlicht 2012 in Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) vor, die 2001–2010 in Deutschland in 71 Praxen durchgeführt wurde. Es wurden circa 340 Patient*innen und deren Therapieverläufe erfasst. Die Studie ist sehr umfassend und verschiedene Instrumente zur Symptombelastung (SCL-90-R), zur therapeutischen Arbeitsbeziehung (IIP-D), zum Behandlungsprozess etc. wurden angewandt.

Franz Caspar, emeritierter Professor der Universität Bern und Mitglied der Fachgruppe Psychotherapie AAQ, erläuterte in seinem Referat kurz den gesetzlichen Hintergrund, aufgrund dessen die im Rahmen der Weiterbildung zur*zum Psychotherapeut*in durchgeführten Therapien evaluiert werden müssen und wie komplex die Thematik der Qualitätssicherung ist. Es sind drei Bereiche zu beachten: Strukturqualität (beschreibt die Rahmenbedingungen, die für die Erbringung einer therapeutischen Leistung gegeben sind), Prozessqualität (bezieht sich auf die Art und Weise, wie eine Leistung erbracht wird) und Ergebnisqualität (beschreibt die Veränderungen des gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitszustandes der Patient*innen, die dem Handeln Therapierender, der Klinik, eines Helfersystems etc. zuzuschreiben sind). Er wies darauf hin, dass es bei der Messung von Verbesserungen in der Psychotherapie immer nur um eine Annäherung gehen kann («Psychotherapie ist nicht messbar»). Der Goldstandard der medizinischen Forschung durch sogenannte RCTs (Randomisierte kontrollierte Studien) ist für die Psychotherapie nicht anwendbar. Er erwähnte auch die Ad-hoc-Arbeitsgruppe, die ein Papier zur «Hilfestellung zur systematischen Patient*innenbefragung von Studierenden in Psychotherapie-Weiterbildungen» erarbeiten wird. Dieses Papier soll allen Ausbildungsinstituten zur Verfügung gestellt werden und sie beim Finden eines geeigneten Instruments unterstützen. Auch das BAG und die Fachgruppe AAQ werden das Papier erhalten.

Am Nachmittag wurde dann in Untergruppen intensiv diskutiert und die Ergebnisse wurden anschliessend im Plenum zusammengetragen. Eine der Fragen, die dabei auftauchte war: Worum geht es dem BAG? Franz Caspar erläuterte, dass bei der Auswertung der ersten Akkreditierungsrunde festgestellt wurde, dass eine systematische Evaluation der Therapien fehlt. Deshalb wurde die Akkreditierungsverordnung durch den Bundesrat angepasst. Er empfiehlt, Evaluationsinstrumente zu wählen, die den Ausbildungsinstituten möglichst nützen, und verweist nochmals auf das Papier der Ad-hoc-Arbeitsgruppe. Weitere Diskussionspunkte waren: Wem gehören die Daten? Antwort: Dem jeweiligen Ausbildungsinstitut. Und: Wer wertet die Daten aus? Antwort: Die Daten werden anonymisiert, die Ergebnisse sollten in der Supervision besprochen werden.

Die Tagung gab einen vielfältigen und guten Input zum Thema. Naturgemäss blieben viele Fragen offen und die Zukunft wird zeigen, welche Instrumente zur Evaluation von Psychotherapien als Teil der Qualitätssicherung der Lehrgänge sich mit der Zeit bewähren und durchsetzen werden. Die Diskussionen zwischen den Beteiligten müssen in geeigneter Form sicher weitergeführt werden.

Kurt Roth ist Vorstandsmitglied der ASP.