Psychotherapie und Manualisierung

Tagungsbericht vom 3. Juli 2021, Zürich

Isabelle Meier

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 7 (14) 2021 14–15

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2021-2-14

In der Schweiz steht die Vorbereitung für die nächste Akkreditierung der psychotherapeutischen Weiterbildungsinstitutionen an. Nach wie vor müssen die Erkenntnisse der Psychotherapieforschung und ihre Implikationen für die Praxis laufend in die Weiterbildung einfliessen und wissenschaftlich fundiertes Wissen gelehrt und vertreten werden. In diesem Zusammenhang kommt der Begriff «Manualisierung» ins Spiel. In der Psychotherapie ist das ein heikles Thema, weil er die Assoziation des Vorgehens nach Kochbuch auslöst. Die Tagung «Psychotherapie und Manualisierung. Technik, Kunst oder theoriegeleitetes Wissen» unter der Ägide der drei Organisationen INFAP3 (Internationales Netzwerk Forschung und Entwicklung in der Analytischen Psychologie Dreiländergruppe), der ASP und der ZHAW Angewandte Psychologie wollten mit der Tagung eine breite Diskussion über das Thema der Manualisierung eröffnen, um eine Perspektive zu entwickeln, wie die Anforderungen der Akkreditierung erfüllt werden können und therapeutisches Arbeiten gemäss seiner Komplexität möglich bleibt.

Die Tagung wurde gut besucht und per Zoom ebenfalls online zugänglich gemacht. Drei Weiterbildungsinstitute stellten ihre Arbeit an den jeweiligen Manualen vor. Dabei wurde gleich zu Beginn ersichtlich, wie unterschiedlich die Institute den Manualbegriff auffassen. Das IPA, ein Institut für prozessorientierte Psychotherapie, von Arnold Mindell gegründet, legte ein Handbuch für sein Therapiemodell, seine Diagnostik, Störungstheorie und Behandlung vor, das sehr umfassend ist und bald auch als Buch publiziert wird. Auch das GFK, ein Institut für personzentrierte und körperorientierte Psychotherapie, verfuhr ähnlich. Der Grund dieser umfassenden Manualerstellung liegt darin, dass beide Institute bislang wenig Publikationen in Richtung eines Standardwerkes zu ihrer Theorie und Praxis aufweisen und diese Basisarbeit zunächst leisten mussten. Das C.G. Jung-Institut hingegen ist dabei, ein rein diagnosespezifisches Manual zu erstellen. Sie nennen es «workbook», da der Begriff des Manuals ein Reizwort sei und Assoziationen wecke, die dem Gegenstand nicht angemessen seien, wie die Vortragenden anmerkten. Auch ihr workbook steht vor der Fertigstellung und soll im Frühling 2022 als Buch erscheinen.

Claudia Subic-Wrana stellte sodann ihren Zugang zur Manualisierung vor. Sie veröffentlichte ein panikfokussiertes Manual in der Manual-Reihe von Manfred E.Beutel. Sie machte uns Mut, das zu beschreiben, was wir tun, und nicht schematisch vorzugehen. Wir sollen das in einem Manual beschreiben, was wir schon immer getan haben. Allerdings meinte sie, die Verwendung eines Manuals schränke wahrscheinlich die Autonomie Therapierender ein, vor allem, wenn es für Forschungszwecke gebraucht würde. Dem wurde von Referent*innen und dem Publikum widersprochen. Ein Manual sollte unsere Handlungsfreiheit im Umgang mit Klient*innen nicht einschränken. Wir sollten flexibel bleiben können, weil das eher zu erfolgreichen Behandlungen führt als eine rigide Anwendung eins Manuals.

Weiter wurde der Manualbegriff als solcher diskutiert. Einige verstanden darunter ein «Kochbuch», eine «Bedienungsanleitung» oder ein «Handbuch». Interessanterweise, so erzählte ein Referent, sei der Begriff zuerst in der psychoanalytischen Tradition aufgekommen. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurde vertiefter über ihn diskutiert. Dabei vertrat der Jungianer Ralph Vogel die Haltung, dass Manuale wenig sinnvoll seien, da praktisch jede*r Therapeut*in eigene Methoden habe und kein*e Patient*in sei wie ein*e andere*r. Wenn schon an Manuale gedacht werde, so müsse man zwischen Manualen für die Ausbildung und solchen für die Forschung unterscheiden. Erstere mögen durchaus Sinn machen, damit Studierenden spezifisches Wissen bezüglich eines Störungsbildes vermittelt werden kann. Bezüglich eines Forschungsmanuals plädierte er dafür, dass man die Freiheit haben sollte, das Manual bei der Behandlung zu benutzen oder eben auch nicht. Christian Roesler wiederum vertrat eine leicht andere Position. Obwohl er Manualen ebenfalls kritisch gegenübersteht, würde er aus berufspolitischen Gründen zu RCTs oder anderen gängigen manualisierten Studien raten, andernfalls würden wir den Anschluss an die wissenschaftliche Forschungsgemeinschaft verlieren.

Zusammengefasst liess sich eine kritische Offenheit unter den Anwesenden feststellen; eine Manualisierung der Behandlung lässt sich unter bestimmten Bedingungen vertreten, insbesondere dann, wenn eine gewisse Freiheit in der Anwendung gewährleistet bleibt. Die berufspolitischen Anforderungen in der Schweiz zwingen uns aber auch dazu, uns genauer zu überlegen, was wir tun. Die drei vortragenden Weiterbildungsinstitutionen schilderten allesamt positive Erlebnisse und Erfahrungen bei der Erstellung ihres Manuals.

Isabelle Meier ist Mitglied der Forschungskommission am C.G. Jung-Institut, Küsnacht.