à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 8 (15) 2022 3–4
Der unerwartete Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist für viele unfassbar und hinterlässt tiefe Spuren nicht nur in Politik und Gesellschaft, sondern auch im Berufsfeld der Psychotherapeut:innen. Macht und Machtmissbrauch tragen vielfältige Gesichter und hinterlassen tiefste Wunden, die über Generationen weitergegeben werden können. Diesem Thema begegnen wir in verschiedenen Beiträgen in diesem Heft.
Fokussierten wir bei der Formulierung des Heftthemas erst auf häusliche und sexuelle Gewalt, so haben die gegenwärtigen Ereignisse dem Thema eine breitere Relevanz verliehen. Als seien durch Klimakrise und Pandemie nicht genug Verunsicherungen und Ängste entstanden und zu bewältigen, kam nun auch der Krieg und mit ihm die Angst vor einer Ausweitung zu einem neuen Weltkrieg dazu. Die psychotherapeutischen Praxen sind derzeit voll mit Menschen, die an entsprechenden Belastungsstörungen leiden. Mit den Flüchtlingsströmen kommen auch viele kriegstraumatisierte Menschen in unser Land, die Hilfe brauchen.
Und natürlich ist auch die ganze Debatte zum Anordnungsmodell nicht frei von Aspekten von Macht und Machtmissbrauch, wie das Verhalten gewisser Exponent:innen der Ärzteschaft und der Krankenkassen zeigt. Doch der Reihe nach.
Aktuelles
In der Rubrik «Aktuelles» finden Sie einen Bericht der Präsidentin, der dem Jahresbericht1 folgt und die Beschlüsse der Mitgliederversammlung vom 11. April 2022 einbezieht. Im Fokus standen im vergangenen Jahr insbesondere die Umsetzung des Anordnungsmodells und die Arbeit an einem Tarifstrukturmodell.
Im Bericht über die «Nouvelles de la Suisse romande» thematisiert Sandra Feroleto den Bedarf nach Kinder-Therapie-Plätzen und nimmt ein erstes Mal auch Bezug auf den Krieg in der Ukraine und dessen Folgen.
Nicola Gianinazzi berichtet über Aktuelles aus der italienischsprachigen Schweiz und zeigt auf, wie im Tessin auch über Berufsverbands- und Ländergrenzen hinweg Kooperationen in Bildungsangeboten möglich sind.
Die «Informationen aus dem Sekretariat» orientieren über Dienstleistungsangebote der ASP.
Psychotherapie international
Dem Bericht aus den EAP-Meetings ist diesmal ein Tagungsbericht vorangestellt zur Tagung «The Hope of Psychotherapy for our Endangered World» zum 30-jährigen Bestehen der EAP. Wie im Bericht geschildert, hat das Thema mit dem Kriegsausbruch eine unerwartete zusätzliche Aktualität erhalten und den Verlauf der Tagung wie auch der vorangegangenen Meetings stark beeinflusst. Der Bericht über die Meetings informiert über aktuelle Themen in der EAP.
Über die Regelung der Psychotherapie in unserem Nachbarland Frankreich weiss man in der Schweiz erstaunlicherweise wenig. Wir haben deshalb den ehemaligen Präsidenten des französischen Psychotherapie-Dachverbandes um eine Schilderung aus erster Hand gebeten.
Ergänzt wird die Rubrik durch einen Beitrag von Peter Schulthess mit einer Übersicht zu nationalen und internationalen Initiativen der Psychotherapieverbände zur Bewältigung der psychosozialen Folgen des Krieges und der Flüchtlingsströme.
Debatte
Endlich kann verkündet werden, dass es gelungen ist, ein Tarifmodell für die Abgeltung von Leistungen im Rahmen des Anordnungsmodells zu verabschieden. Allerdings ist noch kein Tarifpunktwert festgesetzt und auch weitere Fragen sind immer noch in Verhandlung. Marianne Roth informiert über den aktuellen Stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses.
Marie Anne Nauer bringt ein Thema zur Debatte, das uns alle in der einen oder anderen Form beschäftigt und etwas angeht: Die Genderschreibweise in der deutschen Sprache. Sie vertritt den Standpunkt, dass nur das generische Maskulinum verwendet werden sollte, und argumentiert dafür sprachwissenschaftlich. Die Redaktion freut sich über Zuschriften, die diese Debatte weiterführen.
Wissen
ASP-Mitglied Eva Winizki präsentiert ein interessantes, von ihr initiiertes Bildungsprojekt in Uganda. Dieser Beitrag führt die Beitragsfolge der letzten Ausgaben zur interkulturellen Arbeit auf anschauliche Weise weiter.
Fokus
Hier finden sich zwei Beiträge. ASP-Mitglied Franziska Greber schreibt über Machtmissbrauch und Grenzverletzungen sozialer und physischer Art. Sie spannt den Bogen auch zum psychotherapeutischen Setting und plädiert für eine Professionalisierung des Umgangs mit Machtmissbrauch sowie für die Schaffung entsprechender Anlaufstellen in Firmen und Organisationen.
Monika Egli-Alge, Psychotherapeutin und Geschäftsleiterin der Fachstelle Forio AG, fokussiert auf Hilfe für Pädophile zum Schutz für Kinder. Marianne Roth hat mit ihr ein Interview geführt. Anlass gab der Bericht «Präventionsangebote für Personen mit sexuellem Interesse an Kindern» des Bundesrates vom 11. September 2020, der von National- und Ständerat 2016 eingefordert wurde.
Das Heft wird durch drei Buchbesprechungen und den Veranstaltungskalender abgerundet.
Ich wünsche eine anregende Lektüre!
Peter Schulthess, Redaktionsleiter
1 Auf der Website www.psychotherapie.ch einsehbar.