Tagungsbericht:
Qualitätssicherung in der psychotherapeutischen Praxis

27. August 2022, Zürich

Kurt Roth

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 8 (16) 2022 14–16

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2022-2-14

Am 1. April 2021 trat die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in Kraft. Unter anderem bedeutet dies, dass die Verbände der Leistungserbringer, die zu Lasten der obligatorischen Kranken- und Pflegeversicherung (OPK) abrechnen, mit den Verbänden der Versicherer gesamtschweizerisch geltende Verträge über die Qualitätsentwicklung abschliessen müssen. Diese gesetzliche Änderung betrifft auch Psychotherapeut*innen, die über das Anordnungsmodell abrechnen. Aus diesem Grund beschloss der Vorstand der ASP eine Tagung zum Thema in Zürich durchzuführen. Betraut mit der Organisation wurden Veronica Defièbre, Peter Schulthess und Kurt Roth. Das Thema stiess auf ein erfreuliches Echo, sodass sich – zusammen mit den Referenten – rund 90 Personen im Volkshaus einfanden.

Peter Schulthess eröffnete die Tagung und begrüsste die Teilnehmenden und Referenten im Namen des ASP-Vorstandes. Er erläuterte kurz den Ablauf der Tagung und die aktuelle Situation in Bezug auf das Anordnungsmodell, wies darauf hin, dass die auszuarbeitenden Qualitätsverträge für alle Leistungserbringer gelten werden, auch wenn sie nicht einem Verband angehören, und formulierte drei Tagungsziele:

Podium v. l. n. r. Hans Menning, Urs Braun, Peter Schulthess, Kurt Roth, Bernhard Güntert

Als erster Referent erläuterte Kurt Roth die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen des KVG an die Qualitätsverträge (s. Kasten zum KVG Art. 58a). Es wurde im Referat auf die drei Dimensionen der Qualitätssicherung (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) eingegangen und die logische Abfolge dieser drei zentralen Qualitätsmerkmale erklärt. Erfahrungen mit systematischen Erhebungen zur Ergebnisqualität gibt es in den Spitälern und Kliniken der Schweiz. Seit 13 Jahren werden durch den Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in den psychiatrischen Kliniken Daten mittels der Instrumente HoNOS (Health of the Nation Outcome Scale) und BSCL (Brief Symptom Checklist) erhoben. Zudem wird beim Austritt der Patient*innen ein Fragebogen mit sechs Fragen zu ihrer Zufriedenheit mit der Behandlung abgegeben.1

Bernhart Güntert im Vortrag

Prof. Dr. Bernhard Güntert, Vizepräsident der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK), informierte über die Aufgaben der EQK und zum aktuellen Stand im Gesundheitswesen bezüglich der Q-Entwicklung. Die EQK ist eine ausserparlamentarische Behördenkommission, die vom Bundesrat für vier Jahre (bis Ende 2024) eingesetzt ist. Sie besteht aus 15 Mitgliedern (vier Personen der Leistungserbringer, zwei von den Versicherern, zwei von Patientenorganisationen, zwei von den Kantonen und fünf aus der Wissenschaft). Ihre wichtigsten Aufgaben: Die EQK

Die EQK verfügt über ein Budget von rund CHF 20 Mio. pro Jahr (das Geld kommt jeweils zu einem Drittel vom Bund, den Kantonen und Versicherern). Bis jetzt gibt es noch keine genehmigten Q-Verträge. Bernhard Güntert empfiehlt den Psy-Verbänden, möglichst rasch Verhandlungen mit den Versicherern aufzunehmen und entsprechende Vorschläge für einen Q-Vertrag zu machen.2

Die beiden nächsten Referenten – Dr. Gabor Aranyi und BA Manuel Führholzer – stellten den Einsatz des CORE-OM3 Questionnaires in der psychotherapeutischen Erwachsenenambulanz der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien vor. Die an der Tagung präsentierte Studie stellt dar, wie die verschiedenen Akteure (Sicht der Assisten*innen, der Patient*innen und der Behandler*innen) den Einsatz dieses Instruments erleben und bewerten (sog. Fokusgruppenuntersuchung). Das Fazit der Studie: Der CORE-OM

Tagungsteilnehmende während eines Vortrags

Nach dem Mittagessen stellte Dr. rer. medic. Hans Menning das von Günter Schiepek entwickelte Synergetische Navigationssystem (SNS) vor. Das SNS ist ein hochfrequentes Therapiefeedback-System vom Patienten, von der Patientin zum Therapeuten, zur Therapeutin und umgekehrt. Es unterstützt alltagsnah ausserhalb der Therapiesitzungen die Selbstregulation und das Selbstmanagement der Patient*innen und liefert Therapeut*innen Informationen für feedbackbasierte Therapiegespräche. Das Instrument ist äusserst komplex und eine kurze Zusammenfassung wird dem natürlich nicht gerecht. An der Salzburg Academy wird ein Zertifizierungslehrgang zum SNS angeboten.4

Dr. phil. Urs Braun stellte das PsyQOS, ein Praxisverwaltungs- und Qualitätssicherungssystem für Psychotherapiepraxen vor. Das PsyQOS ist eine praktische, pragmatische und alltagstaugliche Software zur systematischen Messung der Prozess- und Ergebnisqualität. Für die Diagnostik und die Qualitätssicherung stehen generative Fragebogendatenbanken zur Verfügung. Die tabellarische und grafische Auswertung der meisten Fragebogen (SCL-90R, IIP, BDI usw.) erlauben den Therapeut*innen, die Resultate der Messungen in Supervisionen, Qualitätszirkeln oder auch mit den Patient*innen zu besprechen.5

Peter Schulthess, lic. phil I, schlug in seinem Abschlussreferat eine systematische Therapiedokumentation mit Supervision und/oder Qualitätszirkeln und dem Einsatz eines Outcome-Instruments als Ergebnisevaluation vor. Er verwies auf die bereits vorhandenen Konzepte der akkreditierten Weiterbildungsinstitutionen, wie die Therapien der Auszubildenden evaluiert werden können.6

In der lebendigen Abschlussdiskussion wurde nochmals auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass sich die Psy-Verbände rasch mit der Ausgestaltung der Qualitätsverträge beschäftigen und proaktiv mit konkreten Vorschlägen auf die Versicherer zugehen sollten, auch wenn es noch viele offene Fragen und Bedenken zu diesen Verträgen gibt und zurzeit auch noch kein einziger gültiger Q-Vertrag zwischen einem Verband der Leistungserbringer und den Versicherern vorliegt. Das Thema wird uns in nächster Zeit also weiter beschäftigen.

Kurt Roth ist Vorstandsmitglied der ASP.

Auszug KVG Art. 58a Massnahmen der Leistungserbringer und der Versicherer zur Qualitätsentwicklung (in Kraft seit 1.4.2021)

  1. Die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer schliessen gesamtschweizerisch geltende Verträge über die Qualitätsentwicklung (Qualitätsverträge) ab.
  2. Die Qualitätsverträge regeln mindestens Folgendes:
    1. die Qualitätsmessungen;
    2. die Massnahmen zur Qualitätsentwicklung;
    3. die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der Festlegung von Verbesserungsmassnahmen;
    4. die Überprüfung der Einhaltung der Verbesserungsmassnahmen;
    5. die Veröffentlichung der Qualitätsmessungen und der Verbesserungsmassnahmen;
    6. die Sanktionen bei Verletzungen des Vertrags;
    7. das Vorlegen eines Jahresberichts über den Stand der Qualitätsentwicklung gegenüber der Eidgenössischen Qualitätskommission und dem Bundesrat.
  3. Die Regeln zur Qualitätsentwicklung orientieren sich an jenen Leistungserbringern, welche die obligatorisch versicherte Leistung in der notwendigen Qualität effizient und günstig erbringen.
  4. Die Qualitätsverträge bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.
  5. Können sich die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer nicht auf einen Qualitätsvertrag einigen, so legt der Bundesrat die Regeln für die in Absatz 2 Buchstaben a–e und g vorgesehenen Bereiche fest.
  6. Die Leistungserbringer müssen sich an die vertraglich festgelegten Regeln zur Qualitätsentwicklung halten.
  7. Die Einhaltung der Regeln zur Qualitätsentwicklung bildet eine Voraussetzung für die Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

1 Mehr unter www.anq.ch.

2 Mehr unter www.bag.admin.ch.

3 Der CORE-OM (Clinical Outcomes in Routine Evaluation – Outcome Measure) ist ein von Therapieform und -schule unabhängiges Instrument zum Messen von psychischer Gesundheit. Die Kurzversion kann auch zur regelmässigen Erfassung des Behandlungseffekts eingesetzt werden. Mehr unter www.embloom.de/inhalt/core.