à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 9 (17) 2023 21–22
https://doi.org/10.30820/2504-5199-2023-1-21
Was waren Ihre Beweggründe, den Beruf des Psychotherapeuten zu wählen?
Schon als Kind habe ich viel gelesen. Eine grosse Anregung kam beispielsweise von Albert Ellis, Gründer des Albert-Ellis-Instituts in New York. Von ihm ist bekannt, dass er in seiner Kindheit und Jugend extrem schüchtern war. Wenn er vor Publikum sprechen sollte, bekam er kein Wort heraus. Durch seine Redeangst verbaute er sich manche Möglichkeiten. Auch beim weiblichen Geschlecht hatte er kein Glück, denn er wagte es nicht, Mädchen anzusprechen. Ellis litt sehr unter seinen Ängsten, er bekam sogar Angst vor der Angst. Er verkroch sich – und fing an zu lesen. Er studierte die Schriften von Skinner und Freud, Buddha und Epikur, Marc Aurel und anderen Philosophen und Psychologen. Er begeisterte sich für den Gedanken, sich mit philosophischen Ideen und psychologischen Techniken weiterzuentwickeln, die eigenen Ängste zu überwinden und ein glücklicheres Leben zu führen. Also begann er, Techniken wie Exposition und Desensibilisierung an sich selbst auszuprobieren.
In dieser Geschichte kann ich mich gut wiedererkennen. Zum Lesen musste ich mich allerdings nicht verkriechen, sondern hatte dazu, ausgerechnet während meiner Militärzeit, viel Zeit und Ruhe. Das war entscheidend.
Was ist Ihr beruflicher Werdegang?
Nach dem Bachelorstudium in Freiburg im Breisgau habe ich das Masterstudium in Klinischer Psychologie und Neurowissenschaften an der Universität Basel absolviert. Anschliessend begannen parallel meine zweijährige Tätigkeit in der Sigma-Privatklinik in Bad Säckingen und die Weiterbildung bei der Akademie für Verhaltenstherapie und Methodenintegration in Zürich/St. Gallen. Sieben Jahre war ich im NeuroZentrum Fluntern in Zürich im Delegationsverfahren tätig, drei Jahre lang zusätzlich in der Praxis UniqueTherapy am Rigiplatz.
Arbeiten Sie im Anordnungsmodell, rechnen Sie über die Zusatzversicherungen ab oder haben Sie selbstzahlende PatientInnen?
Seit 1. Januar 2023 arbeite ich nun selbstständig im Anordnungsmodell. Die Abrechnung über Zusatzversicherungen könnte im Laufe des Jahres hinzukommen.
Gibt es noch eine weitere Beschäftigung, die Sie zusätzlich zur Psychotherapie ausüben?
2020 habe ich die deutsche Adaption des Demenz-Screeningtests Self-Administered Gerocognitive Examination (SAGE) in Zusammenarbeit mit der Ohio State University und Professor Doug Scharre erstellt. Ähnliche Projekte würden mir auch in Zukunft sehr gefallen.
Was ist Ihre Spezialisierung?
Die Behandlung von Angstpatienten, depressiven und chronisch kranken Patienten, hinsichtlich Diagnostik in erster Linie Patienten mit ADHS, Autismus-Spektrum-Störung und kognitiven Beeinträchtigungen aller Art, bspw. nach Schädelhirntrauma oder infolge demenzieller Erkrankungen. Mein erster Therapieerfolg während eines Praktikums in einer Kinder- und Jugendambulanz war die Behandlung eines jungen Patienten (Hauptdiagnose Enkopresis), dessen Ekel vor Fischen mittels Expositionstherapie gesenkt werden konnte. Das war eine schöne Erfahrung.
Fühlen Sie sich mit Ihrer beruflichen Situation zufrieden? Und wenn ja, gibt es trotzdem etwas, das Sie sich anders wünschen?
Bis heute gehe ich jeden Tag gern zur Arbeit. Für die Zukunft wünsche ich mir aber vor allem: Mehr Zeit zum Lesen! Seit meinem Berufseinstieg vor acht Jahren arbeite ich nahezu ununterbrochen in Vollzeit. Zum Glück ist das eine veränderbare Variable, gerade in unserem Berufsstand.
Was ist Ihre Vision in Ihrem beruflichen Alltag?
Ein stärkerer Austausch mit anderen Kollegen, insbesondere aber auch mit anderen Fachärzten und Fachpsychologen. Zudem wünsche ich mir eine bessere medizinische Grundausbildung von Psychologen schon im Grundstudium, mindestens am Grossteil der Universitäten. Eine durchaus interessante Vorlesung in Psychopharmakologie war Teil meines Masterstudiums, doch sie konnte, wie die Pädagogische Psychologie richtig lehrt, kaum an Vorkenntnisse anknüpfen.
Das Interview wurde von Veronica Defièbre schriftlich geführt.
Patrick Junker ist seit 2022 ASP-Mitglied. Er lebt in Rieden AG und arbeitet als psychologischer Psychotherapeut in Zürich.