Sorgfaltspflicht grossgeschrieben

Marianne Roth

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 9 (17) 2023 23–24

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2023-1-23

Mit der Einführung des Anordnungsmodells hat sich einmal mehr eindringlich gezeigt, dass zur Ausübung des Psychotherapieberufs als selbstständige*r Psychotherapeut*in Sorgfalt und Qualität selbstverständliche Berufspflichten sind. Unsere Mitglieder, die eine kantonale Zulassungsbewilligung beantragten, wurden daran erinnert, dass wir als ihr Berufsverband zur Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht eine Reihe von Reglementen bereitgestellt haben, die mit dem Beitritt in den Verband bindend und auch für eine Zulassung zur Berufsausübung zwingend sind. Auf dem Weg in die Selbstständigkeit empfiehlt es sich deshalb, einen Blick in die verschiedenen Reglemente zu werfen, die auf unserer Website abrufbar sind.

Standesregeln

Die Standesregeln bilden den Referenzrahmen für Psychotherapeut*innen, die sich der ASP als Mitglied anschliessen. Sie beinhalten nicht nur die allgemeingültigen Pflichten, die bei der Berufsausübung berücksichtigt werden müssen, sondern sind ein Leitfaden für den Praxisalltag, insbesondere auch in Bezug auf einen achtsamen und professionellen Umgang mit Patientinnen und Klienten. Mit dem Beitritt in die ASP verpflichten sich die Mitglieder automatisch, sich an die Standesregeln und den darin formulierten ethischen Grundsatz zu halten.

Berufspflichten nach PsyG

Das Psychologieberufegesetz (PsyG) hält in Art. 27 die Berufspflichten von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in eigener fachlicher Verantwortung fest. Nicht nur muss der Beruf sorgfältig und gewissenhaft ausgeübt, es müssen auch die Grenzen und Kompetenzen eingehalten werden, die im Rahmen der persönlichen Aus- und Weiterbildung erlernt worden sind. Ist beispielsweise die eigene methodische Qualifikation für eine Therapie ungeeignet, muss der Patient oder die Patientin an eine Kollegin oder einen Kollegen weiterempfohlen werden.

Mit dem Ziel, die beruflichen Kompetenzen aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, erklärt das PsyG kontinuierliche Fortbildung ebenfalls zu den Berufspflichten. Das ASP-Fortbildungsreglement macht entsprechende Vorgaben über Ziele, Umfang und Formen der Fortbildung. Bei genügendem Nachweis der vorgeschriebenen Einheiten erhält der oder die Antragsteller*in ein Fortbildungszertifikat.

Berufsgeheimnis

In Bezug auf das Berufsgeheimnis verweist das PsyG auf einschlägige Vorschriften. Danach unterstehen Angehörige bestimmter Berufsgruppen – dazu gehören Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – der Berufsgeheimnispflicht gemäss Art. 321 StGB. Auch das Datenschutzgesetz verweist in Art. 35 DSG auf die Schweigepflicht, wonach bestraft werden kann, wer im Rahmen der Berufsausübung schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile preisgibt. Das revidierte Schweizer Datenschutzgesetz wird im September 2023 veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass dem Datenschutz insbesondere aufgrund der zunehmenden Digitalisierung noch grössere Bedeutung zukommen wird.

Zum Schutz der Patientinnen und Patienten hat die ASP eine Ombudsstelle eingerichtet, die im Fall von Beschwerden vermittelnd zur Verfügung steht. Neu steht für Beschwerdeführende ein Formular zur Schweigepflichtentbindung gegenüber der Ombudsstelle bereit, das auf der ASP-Website aufgerufen werden kann. Wir legen Wert darauf, dass die Ombudsstelle nicht mit allgemeinen Fragen angerufen wird. Dafür steht die Geschäftsstelle gern zur Verfügung.

Die unabhängige Ethikkommission wacht über die Einhaltung der Standesregeln und wird im Fall von Klagen gegen ASP-Mitglieder aktiv. Die Kommission hat Sanktionsbefugnisse und untersteht selbst einem strengen Verhaltenskodex.

Rechte der Patient*innen oder Klient*innen

Was die Rechte der Klientinnen oder Patienten betrifft, haben diese unter anderem das Recht auf Einhaltung der Schweigepflicht. Sollen Patienteninformationen weitergegeben werden, muss immer als Erstes die Patientin oder der Patient um Einwilligung ersucht werden. Eine solche Einwilligung muss aus freien Stücken erfolgen. Zudem muss der Inhalt der weiterzugebenden Informationen transparent, verständlich und bekannt sein. Wir empfehlen, eine Einwilligung zur Schweigepflichtentbindung immer schriftlich einzuholen und bestätigen zu lassen. Bemerkt werden muss, dass eine Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann.

Auch im Fall von urteilsfähigen minderjährigen oder urteilsfähigen verbeiständeten Personen kann nur die Patientin oder der Patient eine Einwilligung geben. Ist die Urteilsfähigkeit – unabhängig des Alters – gegeben, bestimmt jede Person selbst, wie sie behandelt werden möchte und wer über die Krankengeschichte informiert werden darf. Psychotherapeut*innen unterstehen also auch Eltern gegenüber der Schweigepflicht, sofern keine Einwilligung zur Freigabe besteht.

Marianne Roth ist Geschäftsführerin der ASP.