Unwürdiger Streit um Leistungen von Personen in Weiterbildung

Marianne Roth

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 9 (18) 2023 20–21

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2023-2-20

Nach wie vor weigert sich ein Teil der Krankenversicherer auf Initiative des Branchenverbandes santésuisse, Leistungen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung zu bezahlen mit der Begründung, es fehle dazu die gesetzliche Grundlage.

Mit der Annahme der Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) «Gesetzliche Grundlagen für die Leistungen der Psychologinnen und Psychologen in Weiterbildung» wurde der Bundesrat beauftragt, die Rechtsgrundlage so anzupassen, dass Leistungen während der Dauer des Erwerbs der klinischen Erfahrung über die verantwortliche Betreuungsperson oder Institution in Rechnung gestellt werden können.

Die Begründung

Die SGK-N begründet ihren Auftrag an den Bundesrat mit dem Hinweis, dass Leistungen von Assistenzärztinnen und -ärzten jahrelang im ambulanten Bereich für die verantwortlichen Betreuungspersonen abgerechnet worden seien. Aufgrund der Verweigerungshaltung von santésuisse gegenüber der Bezahlung von Leistungen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung würde das gesamte Gesundheitssystem infrage gestellt. Assistenzärztinnen und -ärzte sowie Assistenzpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten seien unerlässlich für das Funktionieren des Schweizer Gesundheitswesens. Die Motion wurde denn auch mit wenigen Ausnahmen von der SGK-N angenommen.

In der Tat bewirkte die Weigerung der Kostenübernahme durch Krankenkassen die Entlassung von Assistenzpersonal, weil viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung nicht entlohnt werden konnten. Es ist davon auszugehen, dass dadurch mehrere Tausend Patientinnen und Patienten ihre Therapie unterbrechen mussten und nicht alle von ihnen eine Anschlusslösung finden konnten – dies, obwohl gerade für Kinder und Jugendliche ein akuter Mangel an Therapieplätzen besteht.

Ablehnung der Motion durch den Bundesrat

Entgegen der Haltung von santésuisse antwortete der Bundesrat auf die Motion, dass Leistungen, die von Personen in Weiterbildung erbracht werden, derjenigen Person oder Institution zugerechnet werden könnten, die mit der Beaufsichtigung betraut sei und die Zulassungsvoraussetzungen erfülle. Diese Klarstellung hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einem Informationsschreiben den Krankenversicherern auch mitgeteilt.

Allerdings macht der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion einen Rückzieher, indem er auf den Tatbestand aufmerksam macht, dass auf Bundesebene weder ein gültiger Tarif noch ein Tarifvertrag zwischen den Versicherern und den Psy-Verbänden vorliege, der Regelungen für die Abrechnung und Vergütung solcher Leistungen enthalte. Es ist kein Geheimnis, dass hinter den künstlich in die Länge gezogenen und kostenintensiven Tarifverhandlungen, die längst bereit zum Abschluss wären, ebenfalls santésuisse steckt. Gegen die Entscheidungen der Kantone, die einen provisorischen Tarif festgelegt haben, sind einzelne Versicherer deshalb gerichtlich vorgegangen. Mit dieser Begründung und dem Argument, nicht in laufende Gerichtsverfahren eingreifen zu können, lehnte der Bundesrat die Motion ab, was entgegen den vorherigen Äusserungen seltsam anmutet.

Ablehnung durch den Ständerat

Ebenfalls behandelt wurde die Motion an der Herbstsession in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S). Diese übernimmt fast wortwörtlich die Argumentation des Bundesrats, wiederholt aber auch, dass Personen in Aus- und Weiterbildung zwar nicht selbstständig abrechnen können. Die Leistungen, die sie erbringen, könnten aber einer Person zugerechnet werden, die bereits aus- und weitergebildet sei. An dieser Situation ändere sich mit der Annahme oder Ablehnung der Motion nichts. Trotzdem wurde die Motion auch durch die SGK-S abgelehnt.

Die Kommission spekuliert, dass ihre Ablehnung der Motion den Druck auf die Tarifpartner erhöhe, eine Einigung zu finden. Ihrer Ansicht nach würde dadurch eine Lösung schneller und besser erreicht, als durch eine Verordnungsanpassung, für die zwei Jahre gerechnet werden müsse. Ob sich santésuisse dadurch unter Druck setzen lässt, sei dahingestellt. Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung und ihre Vorgesetzten ist dies auf jeden Fall ein untragbarer Zustand.

Etwas zuversichtlich stimmt, dass sich alle politischen Instanzen im Grundsatz einig sind, dass Leistungen von Personen in Weiterbildung über die Krankenkassen abgerechnet werden müssen. Sollte der Tarifvertrag einmal abgeschlossen und der Tarif vom Bundesrat genehmigt worden sein, werden wir die politischen Entscheidungsträger auf jeden Fall beim Wort nehmen.

Marianne Roth ist Geschäftsführerin der ASP.