Psychische Konsequenzen der sozial-ökologischen Krisen für Jugendliche

Zur Bedeutung emotionaler Reaktionen für das psychotherapeutische Setting

Felix Peter

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 9 (18) 2023 28–30

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2023-2-28

Jugendliche erleben eine breite Palette emotionaler Reaktionen gegenüber sozial-ökologischen Krisen wie der Klimakrise, darunter unangenehme Emotionen wie Angst, Wut, Trauer oder Frustration (z. B. Hickman et al., 2021), aber auch angenehme emotionale Reaktionen wie Zuversicht oder Verbundenheit sind möglich. Solche Emotionen können stark variieren, was von individuellen Faktoren abhängt, wie dem Wissen über die Krisen, der persönlichen Einstellung dazu, der wahrgenommenen sozialen Unterstützung oder den vorhandenen emotionalen Kompetenzen.

Auch die Quelle der Emotion kann sich auf die Ausprägung der Reaktion auswirken: Einige Jugendliche können stark emotional auf direkt erlebte Konsequenzen reagieren, während andere möglicherweise stärker auf medial vermittelte Informationen oder antizipierte Folgen reagieren. Sie können sich in erster Linie selbst bedroht fühlen oder sie sorgen sich um andere oder die Umwelt. Doch auch politische Massnahmen zum Klimaschutz können jungen Menschen Sorgen machen, sowohl fehlende oder unzureichende Massnahmen als auch solche, die als übermässige Einschränkung empfunden werden.

Komplexe emotionale Mischung

Empirische Belege zur weiten Verbreitung emotionaler Reaktionen gegenüber den sozial-ökologischen Krisen gibt es vor allem hinsichtlich der sogenannten «Klima-Angst», also in Bezug auf Sorgen und Ängste gegenüber der Klimakrise und ihren Folgen (z. B. Tsevreni et al., 2023). Solche Studien stellen jedoch keine Prävalenzstudien zur klinisch bedeutsamen Ausprägung von Ängsten dar und die verwendeten Instrumente sind sehr unterschiedlich und insgesamt noch von eingeschränkter Qualität (Martin et al., 2023). Zudem hat die Konzentration im gesellschaftlichen Diskurs sowie in der psychologischen Forschung auf Klima-Angst die Beschäftigung mit anderen bedeutsamen emotionalen Reaktionen wie Ärger bzw. Wut vernachlässigt (Contreras et al., 2023).

Anzunehmen ist, dass Jugendliche, die sich mit den sozial-ökologischen Krisen auseinandersetzen, oft nicht nur eine einzige Emotion empfinden, sondern eine komplexe Mischung aus verschiedenen Emotionen. Bspw. können Wut und Frustration über die Untätigkeit der Erwachsenen in Kombination mit Hoffnung auf positive Veränderungen oder mit Ängsten gegenüber einem möglichen Scheitern einhergehen. Die unangenehmen Emotionen können zu psychischem Stress führen, der zu den alltäglichen Stressoren und anderen besonderen Belastungen noch hinzukommt. Da die sozial-ökologischen Krisen individuell überwältigend sind und lange anhalten werden, können emotionale Überforderung und starke psychische Belastungen die Folge sein. Jugendliche gehören hierbei zu den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen, da sie sich in sensiblen Entwicklungsphasen befinden und besonders sensibel auf die Zukunft schauen (vgl. Peter et al., 2023).

Einige Jugendliche reagieren auf die Krisen, indem sie sich für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch verwandte Themen wie soziale Gerechtigkeit engagieren. Solche problemfokussierten Bewältigungsstrategien können ein Gefühl der Selbstwirksamkeit vermitteln. Gleichzeitig ist solches Engagement auch mit emotionalen Belastungen verbunden, da es mit Konflikten, Frustration und sozialer Ablehnung einhergehen kann. Festzuhalten ist auch, dass sich längst nicht alle Jugendlichen aktiv mit den sozial-ökologischen Krisen auseinandersetzen oder sich die damit verbundenen Risiken bewusst machen. In diesem Fall wären auch keine unangenehmen emotionalen Reaktionen die Folge. Dies wird in der Diskussion über Klima-Angst und andere emotionale Reaktionen oft vernachlässigt, birgt jedoch ein zusätzliches Konfliktpotenzial.

Professioneller Beratungskontext

In jedem Fall ist es wichtig zu beachten, dass emotionale Reaktionen gegenüber den sozial-ökologischen Krisen individuell aus vielerlei Gründen variieren können, es hier also kein einheitliches Bild gibt und demzufolge auch keine standardisierte Reaktion geben kann. Daher ist es für das Feld der professionellen Unterstützung junger Menschen entscheidend, eine einfühlsame und individuelle Herangehensweise zu wählen, die spezifischen Erfahrungen und Reaktionen zu berücksichtigen und dabei offen für kontraintuitive Reaktionen zu sein.

Nichtsdestotrotz dürften bei jenen jungen Menschen, die professionelle Unterstützung suchen, vor allem Ängste und Sorgen eine Rolle spielen. Im psychotherapeutischen Setting können sich solche unangenehmen emotionalen Reaktionen wie folgt zeigen (Dohm et al., 2023, S. 7):

Der professionelle Beratungskontext kann Jugendlichen einen geschützten Raum und Rahmen bieten, um über ihre Gefühle im Zusammenhang mit den sozial-ökologischen Krisen zu sprechen. Dabei ist es angezeigt, eventuell zur Sprache kommende unangenehme Gefühle mit Blick auf ihre realen und drängenden Ursachen zu normalisieren und zu validieren. Der therapeutische Fokus wäre dabei nicht auf die Auflösung der unangenehmen Emotionen zu legen (das würde ggf. maladaptive Bewältigungsstrategien fördern), sondern auf einen adaptiven Umgang mit ihnen: Gemeinsam kann «nach der individuell richtigen Mischung von Engagieren, Akzeptieren und Pausieren» gesucht werden (ebd.), was einer adaptiven sinnfokussierten Bewältigungsstrategie entspräche. Voraussetzung dafür ist, dass die beratenden Personen ihre eigene Haltung und Reaktionen gegenüber den sozial-ökologischen Krisen reflektiert haben.

Begleitend könnten psychoedukative Methoden zum Einsatz kommen, mithilfe derer Jugendliche über die emotionalen Auswirkungen von Krisen informiert werden, damit sie ihre eigenen Reaktionen besser verstehen und mit ihnen umgehen können. Zur Abfederung möglicher starker emotionaler Reaktionen sollten zudem bewährte Techniken zur Stressbewältigung angeboten werden. Nicht zuletzt ist ein ressourcenorientierter Ansatz hilfreich: So können realisierbare Bewältigungsstrategien anhand individueller Stärken und vorhandener sozialer Ressourcen herausgearbeitet werden.

Insgesamt ist es wichtig, dass sich das psychotherapeutische Feld für die möglichen psychischen Konsequenzen sozial-ökologischer Krisen – egal ob direkt erfahren, medial vermittelt erlebt oder kognitiv antizipiert – weiter öffnet und hierbei die besondere Vulnerabilität junger Menschen berücksichtigt.

Literatur

Contreras, A., Blanchard, A., Daouda, C. M. & Heeren, A. (2023). It is time to focus on eco-anger rather eco-anxiety: A temporal network approach to the emotional experience of climate change. https://doi.org/10.31234/osf.io/sp8hn

Dohm, L., Chmielewski, F., Peter, F. & Schulze, M. (2023). Klima-Angst und ökologischer Notfall. Ärztliche Psychotherapie, 18(1), 5–9. https://doi.org/10.21706/aep-18-1-5

Hickman, C., Marks, E., Pihkala, P., Clayton, S., Lewandowski, R. E., Mayall, E. E., Wray, B., Mellor, C. & Susteren, L. van (2021). Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: A global survey. The Lancet Planetary Health, 5(12), e863–e873. https://doi.org/10.1016/S2542-5196(21)00278-3

Martin, G., Cosma, A., Roswell, T., Anderson, M., Treble, M., Leslie, K., Card, K. G., Closson, K., Kennedy, A. & Gislason, M. (2023). Measuring negative emotional responses to climate change among young people in survey research: A systematic review. Social Science & Medicine, 329, 116008. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2023.116008

Peter, F., Dohm, L. & Krimmer, M. (2023). Psychische Konsequenzen der Klimakrise. Mehrfachbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen angesichts sich verändernder Lebensbedingungen. Monatsschrift Kinderheilkunde, 171(2/2023), 130–137. https://doi.org/10.1007/s00112-022-01670-x

Tsevreni, I., Proutsos, N., Tsevreni, M. & Tigkas, D. (2023). Generation Z Worries, Suffers and Acts against Climate Crisis—The Potential of Sensing Children’s and Young People’s Eco-Anxiety: A Critical Analysis Based on an Integrative Review. Climate, 11(8), Article 8. https://doi.org/10.3390/cli11080171

Dr. Felix Peter, Dipl.-Psych., ist lösungsorientierter Prozessbegleiter und Resilienztrainer. Er arbeitet als Schulpsychologe in Deutschland und ist Teil der Forschungsinitiative «Planetary Health and Transformative Change».