Corine Pelluchon (2023): Die Durchquerung des Unmöglichen.
Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe
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C. H. Beck, ISBN: 978-3-406-80753-4, 159 Seiten, 22.00 EUR, 32.90 CHF

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 9 (18) 2023 37–37

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2023-2-37

Corine Pelluchon widmet ihr aktuelles Buch all jenen, die unter Klima-Angst und Öko-Depression leiden, die Empörung, Verzweiflung, Wut oder Angst empfinden, weil ihre Umwelt zerstört wird. Im Vorwort sagt sie von sich, dass sie selbst unter Depressionen ge- und all diese Ebenen durchlitten, diese aber überwunden hat. Depression bezeichnet sie als destruktive Dialektik, weil sie sich in Ekel vor sich selbst oder Hass gegen das Leben verwandeln können.

Das höchst aktualitätsbezogene, philosophische Essay der Autorin setzt Verzweiflung voraus, damit wir als Menschen Hoffnung schöpfen können. Pelluchon greift hierzu die grossen menschlichen Katastrophen unserer Zeit auf, etwa die gefährdete Demokratie, den Klimawandel und als bekennende Tierschützerin die schwindende Artenvielfalt. Sie spart nicht mit Kritik an den Regierungen, die unfähig sind, rasche und wirksame Mittel einzusetzen, um die Krisen zu bewältigen. Diese Situation lässt die Menschen den Mut verlieren und verzweifeln, was auch dazu führen kann, dass sie den Glauben an die Institutionen verlieren. Es entsteht die ernsthafte Gefahr, dass das dadurch entstandene Vakuum von Despoten, Autokraten und populistischen Opportunisten besetzt wird.

Das Spezifische an der Öko-Depression ist, dass wir quasi sehenden Auges zuschauen müssen, wie der Klimawandel unaufhaltsam in Richtung Zerstörung der Erde führt. Anders als bspw. politische Situationen, die zwar gegenwärtig ebenfalls krisenbehaftet, aber veränderbar sind, wissen wir nicht, was uns in Bezug auf die Klimaerwärmung bevorsteht. Es entsteht das Gefühl, der «angekündigten Katastrophe ohnmächtig beiwohnen zu müssen, weil die Maßnahmen auf individueller und kollektiver Ebene nicht ausreichen. Die Produktionsweisen ändern sich nicht, und unser Lebensstil ist nach wie vor energieintensiv» (S. 92), so Pelluchon: «Aus all diesen Gründen werden viele Menschen von negativen Emotionen überwältigt» (ebd.).

Angesichts der immensen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, kommt die Hoffnung ins Spiel, weil genau die hoffnungslos scheinende Lage uns vor Augen führt, dass wir etwas ändern müssen, dass wir unsere Lebensweise infrage stellen. Die Hoffnung macht uns fähig, umzudenken, sie zeigt auf, was wertvoll ist und was wir bewahren müssen. Hoffnung darf indes nicht mit Optimismus gleichgesetzt werden, der vortäuscht, alles unter Kontrolle zu haben und in Aussicht stellt, dass in Zukunft alles wieder gut wird. Optimismus ist in diesem Sinne das Gegenteil von Hoffnung.

Angesichts der Verzweiflung, die uns Menschen ob der gegenwärtigen Situation der Welt befallen mag, stellt das Buch ein kraftvolles Plädoyer für die Hoffnung dar. Hoffnung setzt Kapitulation voraus, alle unsere Wünsche sind ad acta gelegt, was dazu führt, dass wir zum Leben zurückkehren können und wir die Rückkehr zu uns selbst finden. Hoffnung setzt schliesslich voraus, dass wir unsere Verletzlichkeit und die Verletzbarkeit unserer Zivilisation anerkennen, was uns dazu führen kann, das Unmögliche zu durchqueren.

Marianne Roth