Aktuelles aus der italienischsprachigen Schweiz

Nicola Gianinazzi

à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 10 (20) 2024 12–12

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2024-2-12

Das Jahr 2024 begann, wie wir es seit einigen Jahren gewohnt sind, immer wieder mit dem Anordnungsmodell und mit seinen Auswirkungen auf mehreren Ebenen, die im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen. In den letzten Monaten hat auch unser Kollektivmitglied, das IRG (Instituto Richerche di Gruppo), die Vorbereitungen für die Reakkreditierung abgeschlossen, und wir konnten ihm auf diesem zweiten anspruchsvollen Weg folgen. Von der PsyKo hingegen kann ich berichten, dass die Anwesenheit von zwei Tessinern in ihren Reihen die italienische Schweiz und ihre besonderen Probleme besonders hervorhebt, man denke nur daran, dass allein für unsere Region etwa 600 Anerkennungen ausländischer Abschlüsse erteilt wurden. Man könnte auch sagen, dass die beiden Tessiner Kommissionsmitglieder zwei Seelen in die Psychotherapie einbringen: die eine vertritt den Kanton, die andere den Bereich der freiberuflich tätigen PsychotherapeutInnen und der Weiterbildungsinstitute, natürlich ohne die eine auf die andere reduzieren zu wollen.

Meine neue Rolle bringt auch neue Impulse in Bezug auf die Beziehungen nicht nur zum Ausbildungsinstitut, dem ich angehöre, sondern auch zur ASP-bezogenen Realität der Charta mit sich: Dieses schweizerisch-italienische und nationale Wissen über die kleinen privaten Weiterbildungsinstitute – zusammen mit demjenigen meiner über das ganze Gebiet verstreuten Kolleginnen und Kollegen – wird einen besonderen Beitrag zur Bundeskommission leisten können.

Ein Blick über die Landesgrenze

Der Oberste Gerichtshof hat den italienischen Kollegen Claudio Foti endgültig freigesprochen: https://www.ansa.it/amp/sito/notizie/cronaca/2024/04/10/bibbiano-claudio-foti-assolto-anche-in-cassazione_827f1438-f50d-4c1e-9ab2-fb1b4d2957f0.html

Diese Entscheidung der höchsten italienischen Rechtsinstanz ist somit endgültig und von grösster Bedeutung für unsere Branche, die immer häufiger falschen Anschuldigungen ausgesetzt oder im Mittelpunkt von Verschwörungen verschiedenster Art steht. Auffallend in dieser mehrjährigen Affäre ist auch die allzu vorsichtige Haltung der Berufsverbände, die nicht in der Lage waren, die verheerenden Auswirkungen auf unseren Berufsstand vorauszusehen: Wenn der Therapeut als Zuhörender für die Inhalte der therapeutischen Beziehung betrachtet wird, wäre unsere Arbeit nicht mehr möglich, und die Subjektivität von uns und unseren Patienten sowie die Unabhängigkeit von uns Fachleuten wären nicht mehr gewährleistet.

Schliesslich muss – im konkreten Fall – auch die Autonomie des Therapeuten oder der Therapeutin wie auch der Patientin oder des Patienten geschützt werden: Forschung und Innovation sowie berufliche Freiheit und Kreativität müssen auch im Rahmen wissenschaftlicher Strenge und entsprechender Qualitätskontrollen möglich bleiben. All dies kann auch in der Schweiz zu einer fruchtbaren kritischen Auseinandersetzung mit dem BVG und seiner Umsetzung und – nicht zuletzt – mit dem völlig neuen Verhältnis zwischen unserem Berufsstand, dem KVG und den in Aussicht gestellten Qualitätssystemen anregen.

Nicola Gianinazzi ist Vorstandsmitglied und Delegierter für die italienischsprachige Schweiz.