novum. ISBN: 978-3-99146-821-7. 164 Seiten. 30.– CHF, 20.30 EUR
à jour! Psychotherapie-Berufsentwicklung 10 (20) 2024 26–26
https://doi.org/10.30820/2504-5199-2024-2-26
Elisabeth Steiner ist ASP-Mitglied, mittlerweile über 80-jährig und hat kürzlich eine vielbeachtete Autobiografie publiziert, die gar mit dem zweiten Preis des Schweizer Autobiografie Award ausgezeichnet worden ist.
Die Autorin wurde in Bern geboren, studierte an der Universität Zürich Psychologie und bildete sich am PSZ und dem Freud-Institut Zürich zur Psychoanalytikerin aus. Sie arbeitete viele Jahre als Psychotherapeutin für Gewaltopfer in eigener Praxis in Zürich wie auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Im Buch schildert sie ihre beiden Eltern und deren Herkunft, die Kindheitsjahre in einer Berner Arztfamilie. Beide Eltern waren psychoanalytisch ausgebildet. Das Klima war offen, doch erschrak die Autorin, als sie anlässlich Vaters schwerer Erkrankung erfuhr, dass es da noch jahrelang eine Geliebte gab. Die Mutter wusste davon und ertrug es. Darüber sprach sie nie mit ihren Eltern.
Das Interesse an politischen Verhältnissen und deren Zusammenhänge mit möglichen Einflüssen auf psychisches Leiden wurde bereits in der Familie geweckt und am PSZ mit dem Aufschwung der Ethnopsychoanalyse (Parin, Morgenthaler) weiter gefördert. Eine vertiefte Ausbildung in Psychoanalyse und eine zweite langjährige Analyse machte sie dann am Freud-Institut.
Gekonnt beschreibt Steiner die Einflüsse der Jugendjahre, der Schullaufbahn, des Studiums und eine Geschwisterrivalität auf das Werden ihrer Persönlichkeit. Beruflich wollte sie mehr machen als eine Privatpraxis zu führen und arbeitete deshalb erst als Volontärin in Flüchtlingslagern für Bosnier, später im Rahmen von Hilfsprojekten für das EDA im Kosovo und in Ruanda. Die dort gemachten Erfahrungen hatten für sie wichtige Bedeutung, auch wenn sie zeitweise schmerzlich und enttäuschend waren, gemessen an ihren hohen Erwartungen an sich selbst und was sie bewirken könnte. Die Verbindung von psychischem Leiden an gesellschaftlichen Verhältnissen, kriegerischen Konflikten und ihre interkulturelle Arbeit zeichnet ihr Interessengebiet aus.
Auch ihr eigens Liebesleben erhält ein Kapitel, in dem sie beschreibt, wie sie eine langjährige Beziehung als Geliebte zu einem verheirateten Mann führte, die nicht entdeckt werden durfte. Schliesslich gelang ihr eine Loslösung aus dieser Beziehung und im späten Alter fand sie ein neues Liebesglück.
Diese Biografie ist leicht zu lesen und gibt einen interessanten Einblick in den Werdegang einer Berufskollegin als Rückblick auf ihr Leben und Wirken. Man mag ihr zu manchen Anlässen wohl begegnet sein, ihren Namen gehört haben, kannte sie aber kaum so, wie sie sich hier darstellt. Insofern öffnet dieses Buch den Zugang zur privaten Person einer Berufskollegin.
Peter Schulthess