Gestalttherapeut*innen in der Schweiz

Peter Schulthess

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2019-2-11

Der Schweizer Verein für Gestalttherapie und Integrative Therapie (SVG) hat in seiner letzten Mitgliederversammlung vom 30. März 2019 die Auflösung des Vereines per 30. Juni 2019 mangels personeller und finanzieller Ressourcen beschlossen. Gründe waren unter anderem einerseits eine Überalterung der Mitgliederstruktur sowie ein damit verbundener Mitgliederschwund, und andererseits die fehlende Bereitschaft so mancher Mitglieder, im Vorstand ein verbindliches Engagement zu übernehmen. Ausserdem hat das einzige Weiterbildungsinstitut für Gestalttherapie in der Schweiz (IGW) herzlich wenig unternommen, um die Absolvent*innen für eine Mitgliedschaft im SVG zu motivieren, sodass der Nachwuchs ausblieb. Schon seit mehreren Jahren war das Präsidium nicht mehr besetzt und wurde kollektiv durch die Vorstandsmitglieder wahrgenommen. Den drei Mitgliedern des letzten Vorstandes gebührt Dank für die ausdauernde Mitarbeit und wiederholten Versuche, durch attraktive Fortbildungsveranstaltungen etwas Leben in den Betrieb zu bringen. Es ist anerkennenswert, die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt und nicht auf die Zahlungsunfähigkeit gewartet zu haben, bis der Verein aufgelöst wurde.

Damit verlieren die Gestalttherapeut*innen in der Schweiz eine institutionelle Vertretung ihres Ansatzes in den nationalen wie internationalen Dachverbänden und die Möglichkeit, über den Verband hinaus eine öffentliche Stimme zu haben. Der SVG wurde 1980 (damals noch unter dem Namen «Gestalt Regionalgruppe Schweiz – FPI» gegründet, änderte wenige Jahre später seinen Namen in SVG, um ein Dachverband aller Gestalttherapeut*innen in der Schweiz sein zu können, und hatte zu seiner Blütezeit über 300 Mitglieder. Er schloss sich dem ASP als Fachverband an, war Gründungsmitglied der Schweizer Charta für Psychotherapie, bildete eine Psycholog*innensektion, die sich der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) anschloss, und vertrat die Schweizer Gestalttherapeut*innen in der European Association for Gestalt Therapy (EAGT). Der Unterzeichnende erinnert sich als seinerzeitiger Präsident an zweitägige stetig wachsende Mitgliederversammlungen mit über 80 Teilnehmenden in einem Tagungshaus, bis dieses zu klein wurde, sodass ein anderer Versammlungsort gesucht werden musste. Einzigartig dürfte sein, dass der Verband über lange Jahre den Teilnehmenden an den Mitgliederversammlungen ein Essen als Wertschätzung für die Teilnahme bezahlte (bis es die Vereinskasse nicht mehr erlaubte). In diesen Jahren führte der Verband auch eine erfolgreiche staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Zürich, das Zürcher Gesundheitsgesetz betreffend, und erzwang so eine Übergangsregelung für nichtärztliche Psychotherapeut*innen.

Der Verband war damals so lebendig, dass gar eigene gut besuchte Fachtagungen durchgeführt konnten. Er führte auch eine eigene Zeitschrift Gestalt. Gemeinsam mit den österreichischen und deutschen Schwestervereinen wurden und werden bis heute die sogenannten «DACH»-Tagungen organisiert (Deutschland, Austria, Schweiz).

Die Organisationsform als Verein scheint sich jedoch überlebt zu haben. Die Attraktivität, nebst einem der grossen Berufsverbände auch noch einem Fachverband anzugehören, sank mit der Etablierung nationaler Verbände. Es waren am Schluss zwar noch circa 100 Mitglieder registriert, die meisten davon aber Passivmitglieder im Seniorenalter mit reduziertem Mitgliederbeitrag, sodass absehbar war, dass die finanzielle Situation zu einem Konkurs führen würde, denn Einnahmen und Ausgaben passten nicht mehr zusammen. Eine entsprechende Restrukturierung wollte die letzte Mitgliederversammlung jedoch nicht vornehmen, sondern zog die Auflösung vor.

Der SVG leistete in den Jahren seines Bestehens eine immens wichtige Arbeit für die Gestalttherapeut*innen und Gestaltberater*innen in der Schweiz.

Netzwerk Gestalttherapie als Nachfolgeorganisation

Noch vor der offiziellen Auflösung des SVG bildete sich aber bereits eine Nachfolgeorganisation unter dem Namen «Netzwerk Gestalttherapie», quasi wie der Phönix aus der Asche. Die sechs Gründungsmitglieder (vier davon sind ehemalige SVG-Mitglieder) sind der Überzeugung, dass es weiterhin eine offizielle Adresse zur Vertretung der Gestalttherapeut*innen in der Schweiz geben muss. Mit dem Begriff «Netzwerk» und einem vertretbar geringen Mitgliederbeitrag sind sie überzeugt, eine modernere Organisationsform als die eines altbestandenen Vereines gefunden zu haben, die auch jüngere Kolleg*innen anzusprechen vermag. Im nachfolgenden Kasten sei aus den Gründungsstatuten zitiert.

Die Kontaktadresse für weitere Informationen lautet: beate.willauer@netzwerk-gestalttherapie.ch

Peter Schulthess ist Vorstandmitglied der ASP und Gründungsmitglied des Netzwerks Gestalttherapie.

Das Netzwerk Gestalttherapie gibt sich folgende Zwecke,
die in der Zukunft schrittweise zu erfüllen sind:

  • Vernetzung von Personen und Institutionen in der Schweiz, die als PsychotherapeutInnen oder BeraterInnen gestalttherapeutisch arbeiten
  • Vernetzung mit der internationalen Community, z. B. Vertretung der Schweizer GestalttherapeutInnen und GestaltberaterInnen in der EAGT
  • Vernetzung mit und Vertretung der Gestalttherapie in der Charta-Konferenz der ASP, zunächst als assoziiertes Mitglied
  • Vernetzung mit und Vertretung der Gestalttherapie in der SGfB und weiteren Berufsverbänden
  • Vernetzung mit dem professionellen Feld in der Schweiz, das ähnliche Anliegen wie das Netzwerk Gestalttherapie verfolgt (z. B. Entresol)
  • Betreiben einer Website gestalttherapie.ch (und netzwerk-gestalttherapie.ch per re-direct) inklusive einer geschützten elektronischen Plattform als Mitgliederbereich, einer TherapeutInnen- und BeraterInnliste und eines periodisch erscheinenden Newsletters
  • Bildungsangebote für gestalttherapeutisch arbeitende und interessierte Professionals
  • Beteiligung an der wissenschaftlichen Erforschung der Grundlagen und Wirkungsweise der Gestalttherapie sowie ihrer Weiterentwicklung
  • Organisation von und Teilnahme an Tagungen wie z. B. den DACH-Tagungen, Vorträgen, öffentlichen Veranstaltungen
  • Öffentlichkeitsarbeit