Peter Schulthess
https://doi.org/10.30820/2504-5119-2020-2-3
Als wir dieses Heft planten, dachten wir, die COVID-19-Welle würde abgeflaut sein bis zu dessen Erscheinen. Bis Anfang Oktober sah es auch danach aus. Nun hat uns allerdings die zweite Welle unerwartet heftig getroffen, mit einem exponentiellen Anstieg der positiv Getesteten. Der Anstieg in der Schweiz ist einer der rapidesten in ganz Europa. Zum Zeitpunkt des Niederschreibens dieses Editorials sind erneut einschneidende Massnahmen getroffen worden und man diskutiert gar wieder partielle Lockdowns in bestimmten Gebieten. Im Wallis gibt es ein nächtliches Ausgehverbot, Altersheime wurden wieder unter Quarantäne gestellt, Bars und Restaurants mussten den Betrieb schliessen. Man muss erwarten, dass solche Massnahmen auch in anderen stark betroffenen Kantonen ergriffen werden. Ungewiss ist erneut, wie lange diese Welle anhalten wird, bis sich unser Leben wieder normalisieren kann.
Den Umgang mit der COVID-19-Pandemie und deren soziale und psychische Auswirkungen machten wir zum Titelthema dieser Ausgabe. Die Rubrik «Fokus» enthält gleich drei Beiträge, die Aspekte dazu beleuchten. Marianne Roth schreibt über die Folgen des Umgangs mit älteren Menschen, die als Risikogruppe im Frühjahr besonders isoliert wurden. Daniel Cano, ein Student des Fachs Multimedia-Production an der FH Graubünden, berichtet über eine Internet-Plattform «ein Ort für Unterstützung», auf der sich Menschen über ihre Sorgen und Erfahrungen austauschen können. Ergänzend führte er zwei Interviews mit Fachpersonen. Im Beitrag «Mitglieder im Lockdown» fasst Marianne Roth die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zusammen.
Auch in der Rubrik «Nachgefragt» taucht das Thema auf. Statt des üblichen Mitgliederinterviews baten wir Barbara Goossens um einen Bericht darüber, welche Implikationen sie in ihrer beruflichen Praxis erlebte. Ihr Beitrag trägt den Titel «Beobachtungen aus der Praxis. Wie ‹Corona› Rituale abstaubte und zum Aufräumen bewegte».
Natürlich enthält dieses Heft in der Rubrik «Aktuelles» auch verschiedene Berichte. Gabriela Rüttimann blickt aus präsidialer Warte auf ein ausserordentliches Jahr zurück und schildert den gegenwärtigen Stand der Einführung des Anordnungsmodells. Marianne Roth, Ursula Enggist und Claudia Menolfi liefern Informatives aus dem Sekretariat. Sandra Feroleto berichtet aus der Romandie und fokussiert in persönlicher Weise darauf, wie sie die Zeit der COVID-19-Restriktionen erlebt hat und welchen Impact dies auf ihre Berufstätigkeit hatte. Nicola Gianinazzi berichtet aus der italienischsprachigen Schweiz und stellt ein Modell vor, wie Hilfesuchende sich in der Corona-Verunsicherung an eine psychologisch-psychotherapeutische Notfallstelle wenden können. Der Service nennt sich «Cardiopsicoterapia» und entstand in Zusammenarbeit mit dem Cardiocentro in Lugano. Marianne Roth berichtet anschliessend über die Mitgliederversammlung 2020 der ASP, die diesmal aus bekannten Gründen erstmals virtuell als Zoom-Konferenz stattfinden musste.
Die Rubrik «Tagungen» ist primär gedacht für Tagungsberichte unserer Mitgliedsinstitutionen, aber auch für andere Fachtagungen. Das SIPT besteht dieses Jahr seit 15 Jahren und führte aus diesem Anlass eine Fachtagung zum Thema «Neue Entwicklungen im psychodynamischen Traumaverständnis» durch. Peter Schulthess war vor Ort und berichtet. Ausserdem erstattet er in der Rubrik «Psychotherapie international» Bericht über die Meetings der EAP, die online stattfanden.
In der Rubrik «Debatte» präsentiert Peter Schulthess den Evaluationsbericht des BAG zu ersten Akkreditierungsrunde und zeigt problematische Punkte in den von dieser Evaluation abgeleiteten neuen Qualitätsstandards für Weiterbildungsgänge in Psychotherapie auf, die das EDI noch im November in Kraft setzen dürfte.
In der Rubrik «Wissen» finden Sie eine Zusammenfassung von Marianne Roth zur gesundheitspolitischen Strategie 2020–2030 des Bundesrates.
Drei Buchbesprechungen und der Veranstaltungskalender runden das Heft ab. Hingewiesen sei auf das Buch Die Pandemie als psychologische Herausforderung, das bestens zu unserem Heftthema passt. Das Buch erschien im englischen Sprachraum bereits 2019, also noch vor Ausbruch der aktuellen Pandemie. Der Autor Steven Taylor zeigt darin auf, wie alle namhaften EpidemiologInnen eine demnächst ausbrechende Pandemie erwarteten, und er erläutert, wie Gesellschaft und Behörden seit den Pandemien im Mittelalter bis heute jeweils auf Pandemien reagierten. Sein Buch hat nur wenige Wochen nach seinem Erscheinen eine ungewollte Aktualität erhalten.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Peter Schulthess, Redaktionsleiter