https://doi.org/10.30820/2504-5119-2020-2-37
Von 2016–2019 betreute eine Arbeitsgruppe des VPB (Verband der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten beider Basel) den Psycho-Briefkasten der bzBasel (Zeitung für die Region Basel). Allein dafür, dass der VPB dies tat, verdient er Lob. Das ist eine wichtige niederschwellige Öffentlichkeitsarbeit, um entweder prophylaktisch zu wirken oder Menschen, die nicht von selbst zu einer Psychotherapie finden, anzusprechen und sie dazu zu ermutigen.
Es sind in dieser Zeit zahlreiche Beiträge entstanden. LeserInnen der bzBasel fragten zu Händen des Psycho-Briefkasten um Rat zu Themen, die sie aktuell beschäftigen und psychisch belasten. Jeweils eine Person aus einem Team von sieben PsychotherapeutInnen aus unterschiedlichen Therapierichtungen beantwortete diese Fragen. Der Antwortentwurf ist vor Publikation vom ganzen Team gegengelesen und besprochen worden. 67 von diesen Beiträgen sind in diesem Buch wiedergegeben. Jeder Beitrag füllt zwei Seiten.
Es ist erstaunlich, wie gut es den AutorInnen gelang, aufgrund von Anfragen, die oft nur wenige Zeilen umfassen, Antworten zu formulieren, die von Empathie für die Fragenden zeugen, relevante Fach-Informationen enthalten und mit motivierenden Empfehlungen schliessen, ohne direktiv zu werden.
Das Fragenspektrum ist weit und umfasst den ganzen Bereich an Lebensthemen, die mit psychischen Belastungen verbunden sind. So geht es etwa um Beziehungskonflikte, Ablösung vom Elternhaus, Verarbeitung von Trennung und Todeserfahrungen, Krankheit, Altern, Geburt, Essverhalten, Selbstwertfragen, Verlust der Arbeit, Patchwork-Familien, Gefühle des Überfordertseins, Liebesenttäuschungen, Drogengebrauch, Depersonalisierungserscheinungen und vieles mehr. Aus den Antworten ist zu spüren, dass die VerfasserInnen über eine hohe Berufskompetenz und eine grosse Berufserfahrung verfügen. Es gelingt ihnen, in einfacher Sprache auf die Sorgen und Nöte der Ratsuchenden einzugehen.
Die Fragen beziehen sich jeweils auf eine Einzelperson, die ihr Problem aus einer individuellen Perspektive schildert. Dennoch sind sie geeignet, auch andere Personen mit ähnlichen Fragen zu berühren und so indirekt auch ihnen etwas mitzugeben. Die Lesenden können sich angesprochen oder gar erkannt fühlen. So wirken etwa auch Literatur, gestaltende Kunst und Film. Man kann als Lesende oder Lesender einverstanden sein mit der fachlichen Erläuterung, oder opponieren und sie als zu interpretativ erachten oder sie so für sich abwandeln, dass man auch für sich selbst etwas Anregendes findet.
Dem Buch wurde der Titel Innensichten gegeben, weil die Texte so verfasst sind, dass die Fragenden zu einer vergrösserten Innensicht des eigenen Anteils am geschilderten Problem gelangen, dank der Aussensicht der Antwortenden. Mit der Publikation der Texte werden diese Innensichten in die Öffentlichkeit getragen und erzeugen auch dort eine Wirkung, die zu Veränderungen führen kann. Das nenne ich den politischen Aspekt der Psychotherapie. Im Nachwort schreibt Peter Schwob, Präsident des VPB: «Das Private ist oft sehr politisch, und umgekehrt.» Ich freue mich darüber, dass dieser Verband sich in seiner Tätigkeit nunmehr seit 49 Jahren in diesem Grenzgebiet bewegt und sich auch nicht scheut, etwa zu politischen Themen aus der Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung öffentlich Stellung zu nehmen.
Ich wünsche dem Buch eine grosse Verbreitung. Es ist nicht nur gut lesbar für ein Laienpublikum, sondern auch anregend für ein Fachpublikum. Ich kann es mir gut vorstellen als Lektüre für PatientInnen in Warteräumen von Beratungsstellen, Arzt- oder Psychotherapiepraxen.
Peter Schulthess