Editorial

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2021-1-3

Rassismus in der Psychotherapie? Wir haben für das aktuelle Heft dieses Thema als Fokus gewählt, weil bekannt ist, dass in dieser Pandemie-Zeit latent herrschender Rassismus besonders deutlich zutage treten kann. Dies war in der Schweiz erlebbar gegenüber Chines*innen, da die Viren erst in Wuhan auftraten, aber auch andere Gruppen waren und sind betroffen. Dass People of Color oft unter Rassismus leiden müssen, ist auch in der Schweiz anzutreffen, nicht nur in den USA. Das sieht man unter anderem in Leserbriefspalten, im Sport, in der Schule und bei Polizeimassnahmen. Oft verbindet sich Rassismus auch mit Antisemitismus. Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft und ist nicht nur bei bestimmten politisch extremen Gruppen anzutreffen. Aber Rassismus in der Psychotherapie?

Ja, auch wir Psychotherapeut*innen sind vor Rassismus nicht gefeit, gehören doch auch wir zu dieser Gesellschaft. Wie bei jeder interkulturellen psychotherapeutischen Arbeit ist ein kultursensibles Vorgehen wichtig, das auch bezüglich eigener rassistischer Vorurteile in der Supervision reflektiert werden muss, damit diese nicht unbemerkt in die Therapie und therapeutische Beziehung einfliessen und entsprechend bei Menschen, die von Rassismus betroffen sind, Schaden anrichten.

Dshamilja Adeifio Gosteli beschreibt in ihrem Beitrag, wie sensitiv dieses Thema ist, auch in Bereichen, in denen wir gar nicht daran denken. Sie gibt Psychotherapeut*innen Empfehlungen, um ihre Verantwortung richtig wahrzunehmen. Auf ihren Beitrag folgt ein Interview der Zeit Online-Redakteurin Laura Dahmer mit der Psychotherapeutin Lucia Muriel, die Rassismus als blinden Fleck in der Psychotherapie bezeichnet.

Wie immer finden Sie in der Rubrik «Aktuelles» verschiedene Berichte. Hervorzuheben ist der Entscheid des Bundesrats zur Einführung des Anordnungsmodells innert Jahresfrist, auf den wir schon so lange gewartet haben. Gabriela Rüttimann schreibt dazu in ihrem Bericht der Präsidentin und Marianne Roth nimmt das Thema in einem eigenen Beitrag detaillierter auf. Sandra Feroleto berichtet aus der Perspektive der Suisse Romandie über die Auswirkungen der Lebenseinschränkungen, die durch die Covid-19-Massnahmen gegeben sind. Nicola Gianinazzi informiert über Veränderungen der Ausbildungslandschaft im Tessin und zeigt auf, wie diverse Projekte in grenzüberschreitender Zusammenarbeit erfolgen. Und schliesslich weisen Marianne Roth, Ursula Enggist und Claudia Menolfi in ihren Informationen aus dem Sekretariat auf verschiedene Dienstleitungen der ASP für ihre Mitglieder hin.

In der Rubrik «Psychotherapie International» finden Sie diesmal gleich vier Beiträge. Peter Schulthess berichtet über die EAP-Online-Meetings im März 2021, über eine internationale Mitgliederumfrage der EAP zu den Auswirkungen von Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen und er stellt ein Positionspapier der EAP zur Psychotherapieforschung vor, das nach einjähriger Vorarbeit einer Arbeitsgruppe bei den Meetings vom General Board als offizielles EAP-Dokument verabschiedet wurde. Bei der Jahresversammlung wurde Patricia Hunt zur neuen Präsidentin gewählt. Die Covid-19-Umfrage zeigt, welch wichtigen Beitrag europaweit Psychotherapeut*innen auch in dieser Krisenzeit für die psychische Gesundheit leisten, und auch, wie wertvoll Online-Therapien sind. Mit dem Positionspapier zur Forschung bezieht die EAP Stellung für eine Akzeptanz vielfältiger Forschungsdesigns und kritisiert die Vorrangstellung des aus der medizinischen Forschungstradition übernommenen RCT-Studiendesigns, das für die Erforschung dessen, was in einem psychotherapeutischen Prozess geschieht, oft nicht geeignet ist.

Nikolaus Melcop, Vizepräsident der Bundespsychotherapeutenkammer, berichtet über den aktuellen Stand in Deutschland zur Einführung eines Direktstudiums in Psychotherapie. Wer hoffte, dass das Direktstudium zu einer Verkürzung der Psychotherapieausbildung führe, wird enttäuscht. Nach dem Studienabschluss (MSc) folgt eine 3–5-jährige Praxisausbildung an Kliniken und eine vertiefte Ausbildung in einem Richtlinienverfahren.

In der Rubrik «Debatte» widmet sich Marianne Roth dem Reizthema «Masken». Sie beschreibt Masken als Schutzmassnahme wider Willen und zeigt auf, wie die Verweigerung des Maskentragens in gewissen Kreisen zu einem Statement geworden ist, wie Masken zu einem Objekt von Verschwörungstheorien und zu einem Politikum wurden. Sie berührt auch die Frage eines allfälligen Maskendispenses in der Psychotherapie.

Das Interview mit einen ASP-Mitglied in der Rubrik «Nachgefragt» stammt diesmal aus der Romandie. Sandra Feroleto führte es mit Betty Sacco German.

In der Rubrik «Wissen» stellt Peter Schulthess zwei Studien zum Thema «Aberglaube, Esoterik und Verschwörungsmentalität in Zeiten der Pandemie» vor. Dafür lässt er die Autor*innen der Studien durch teils längere Zitate selbst zu Wort kommen. Es handelt sich um die Leipziger Autoritarismus Studie 2020 und um eine 2021 veröffentlichte Studie der Universität Basel zum Phänomen von Verschwörungstheorien.

Zum Abschluss finden Sie eine Buchbesprechung von Veronica Defièbre zu einer Fallgeschichte mit Essstörungen sowie den üblichen Veranstaltungskalender.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Peter Schulthess, Redaktionsleiter