Die Präsidentin berichtet

Gabriela Rüttimann

https://doi.org/10.30820/2504-5199-2021-1-5

Dauerbrenner Coronavirus

Die zweite Welle der Covid-19-Pandemie hat die psychische Belastung der Schweizer*innen nochmals verstärkt. Eine Umfrage, die die Verbände im Februar 2021 gemeinsam durchführten und an der 1.700 Psychotherapeut*innen und Psycholog*innen teilnahmen, zeigt, dass bei 60 Prozent der Befragten die Auslastung seit September 2020 noch einmal zugenommen hat. Zwei Drittel der Psychotherapeut*innen müssen regelmässig Anfragen aus Mangel an Kapazität abweisen respektive an andere Stellen verweisen.

Fast 90 Prozent der Antwortenden berichten, dass sich Problemstellungen und Symptome während der Pandemie verschlimmert haben bzw. aufgrund der belastenden Situation neue Probleme und Symptome entstanden sind. Am meisten genannt werden Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen, Probleme in der Familie oder in der Paarbeziehung sowie Probleme am Arbeitsplatz und in der Schule. Von den Befragten berichten 22 Prozent von gestiegener Suizidalität.

Für Psychotherapeut*innen ist die Situation besonders besorgniserregend. 86 Prozent von ihnen geben an, dass sie regelmässig Anfragen von Menschen in psychischer Not erhalten, die aus finanziellen Gründen auf eine Therapie verzichten. Viele Patient*innen sehen sich gezwungen, eine Psychotherapie aus finanziellen Gründen abzubrechen, weil Psychotherapeut*innen ihre Behandlungen nach wie vor nicht über die Grundversicherung abrechnen können.

Das Anordnungsmodell kommt

Gross war dann am 19. März die Erleichterung, als kurz vor Redaktionsschluss die erlösende Mitteilung bei uns eintraf, dass der Bundesrat sich für die Einführung des Anordnungsmodells entschieden hat. Dieses wird das seit 1981 gültige Delegationsmodell ablösen, das als Übergangslösung in Kraft gesetzt worden war. Mit diesem Beschluss wird es Psychotherapeut*innen ermöglicht, ihre Konsultationen über die Grundversicherung abzurechnen, sofern sie auf ärztliche Anordnung erfolgen. Damit erfüllt der Bundesrat eine langjährige Forderung der Psychotherapieverbände, die auch von zahlreichen anderen Organisationen geteilt wird. Das bedeutet einen grossen Fortschritt für die Schweizer Bevölkerung, da die Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit spürbar verbessert wird.

Bedenken schafft die Regelung, dass eine ärztliche Anordnung nur 15 Sitzungen umfassen kann und dann wieder ein Arzttermin für eine neue Anordnung von weiteren 15 Sitzungen vereinbart werden muss. Dies schafft einen unnötigen administrativen Aufwand und es wird sich zeigen müssen, wie weit diese restriktive Regelung praxistauglich ist. Vorläufig überwiegt jedoch die Freude über den lange erwarteten Bescheid.

Die Anpassung der Verordnung tritt auf den 1. Juli 2022 in Kraft. Die Zeit bis dahin wollen wir nutzen, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Viele Details müssen noch geklärt werden und die Fragen unserer Mitglieder warten auf stringente Antworten. Wir müssen zudem rasch einen Tarif aushandeln; die Vorbereitungsarbeiten dazu laufen bereits auf Hochtouren.

Interventionen für delegierte Psychotherapie

Die Schlechterstellung delegiert arbeitender Psychotherapeut*innen durch das BAG bleibt ein Ärgernis. Während Psychiater*innen unbeschränkt fernmündliche Therapien durchführen können, wurde delegiert arbeitenden Psychotherapeut*innen lediglich 240 Minuten auf sechs Monate zugestanden, die während der Pandemie dann auf 360 Minuten auf sechs Monate – inzwischen auf drei Monate – erhöht wurden. Dabei sind telefonische oder Online-Therapien für zahlreiche Menschen mit psychischen Störungen die ideale Lösung, müssen sie doch ihr Zuhause nicht verlassen und zum Beispiel keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Für viele von ihnen ist auch das Tragen einer Maske eine Herausforderung.

Wir sind mehrmals beim BAG vorstellig geworden mit der Aufforderung, diesen unhaltbaren Zustand zu ändern. Die Antworten liefen im Kern darauf hinaus, dass das BAG und die Versichernden delegiert arbeitenden Psychotherapeut*innen misstrauen, denn gemäss Schreiben des BAG können Therapiesitzungen «heute gemäss geltender KVG-Rechtslage und entsprechender Regelung im TARMED nur dann durch die Krankenversicherung vergütet werden, wenn sie unter ärztlicher Überwachung und in der Praxis des delegierenden Arztes erfolgen. Bei ausschliesslich fernmündlichen Therapiesitzungen ist die Aufsichtspflicht des delegierenden Arztes unter Umständen nicht gewährleistet.»

Swisscom Directories

Ohne Vorankündigung und ohne mit den Verbänden Rücksprache zu nehmen, hat Swisscom Directories eine Suchplattform mit dem sperrigen Namen psychotherapievergleich.ch aufgeschaltet. Gegen dieses Angebot haben wir protestiert und bei Swisscom Directories interveniert. Es erschien uns bedenklich, dass es in diesem heiklen Bereich ein Bonus- und Malus-System geben sollte, sind doch Menschen in einer psychischen Stresssituation wenig geeignet, qualifizierte Angaben über Psychotherapiebehandlungen abzugeben. Nachdem Swisscom Directories sich zunächst nicht bereit erklärte, eine Änderung vorzunehmen, willigten sie schliesslich nach Androhung rechtlicher Schritte unsererseits ein, den Namen der Plattform zu ändern. Diese kann nun mit dem Begriff Coaching-Vergleich.ch aufgerufen werden.

Gabriela Rüttimann ist Präsidentin der ASP.