Peter Schulthess
https://doi.org/10.30820/2504-5199-2021-1-16
Die Marketing Group der EAP hat 2020 eine Umfrage unter den EAP-Mitgliedern und ECP-Holders mittels Fragebogen durchgeführt, der elektronisch beantwortet wurde. Autor*innen des Berichtes zu dieser Umfrage sind Patricia Hunt, Nevena Calovska, Anne Colgan und Renata Mizerska. Die Arbeit wurde im Januar 2021 fertiggestellt und wird auf der Website der EAP aufgeschaltet wie auch im International Journal for Psychotherapy publiziert.
Ausgangslage war der Umstand, dass während des Lockdowns praktisch nirgends mehr Face-to-Face-Therapien durchgeführt werden konnten. Therapeut*innen wie Patient*innen mussten unerwartet auf einen Schlag zu Hause bleiben und konnten fast nur noch virtuelle Kontakte aufrechterhalten. Erfragt wurde, wie die Psychotherapeut*innen mit dieser Situation umgegangen sind, wie sie weiter arbeiten konnten, was für Probleme bei den Patient*innen auftraten und was die Therapeut*innen aus diesen Erfahrungen gelernt haben.
Insgesamt nahmen 147 Therapeut*innen aus 25 Ländern an der Umfrage teil (davon 11 aus der Schweiz). 107 waren Frauen, 40 Männer. 7 waren 30–40 Jahre alt, 24 waren 31–50 Jahre alt, 36 waren 51–60 Jahre alt, 56 waren 61–70 Jahre alt und 13 waren 71 oder älter.
Auftretende Probleme der Patient*innen waren die Folgenden:
Diese Probleme hängen teils zusammen und traten auf als Folge der Unmöglichkeit, Zeit der Abgeschiedenheit zu finden, und der Unmöglichkeit, das gewohnte Beziehungsnetz aufrechtzuhalten. Die Unsicherheit bezüglich der Dauer der Einschränkungen, die Angst vor Erkrankung und die unsichere Zukunft allgemein, auch Existenzängste, trugen das ihre bei. Die Autor*innen gehen davon aus, dass die Folgen des Lockdowns noch länger nachwirken werden und einen Impact im Bereich der psychischen Gesundheit haben werden. Zusammen mit dem Science and Research Committee (SARC) der EAP sollen weitere Untersuchungen zu den psychischen Langzeitwirkungen erfolgen.
Die Psychotherapeut*innen taten sich vorerst schwer mit der erzwungenen Umstellung auf Online-Therapie, entdeckten dann aber bald, wie wertvoll auch dieses Therapie-Setting ist. Therapieprozesse mussten nicht unterbrochen, sondern konnten weitergeführt werden, was von den Patient*innen sehr geschätzt wurde. Sie fühlten sich gewürdigt und wichtig genommen. Auch viele neue Therapien entstanden online, der Bedarf nach Therapie wuchs im Laufe der Krise. Manche Patient*innen wären wohl nicht zu einer physischen Therapie gekommen und fanden das Online-Setting weniger ängstigend. Ein unerwarteter Nebeneffekt war, dass man über Video auch Einblick erhielt in die Lebenssituation der Patient*innen. Trotz räumlicher Distanz konnte die therapeutische Beziehung gestärkt werden und man konnte auch emotionale Prozesse therapeutisch begleiten.
Einschränkungen der Online-Therapie sind fehlendes Vertrauen der Patient*innen (und mancher Therapeut*innen) in die Wirksamkeit einer Therapie via technisches Medium. Die technische Verbindungsqualität war manchmal schlecht und schwankte, was zu Unterbrechungen führen konnte. Auch Störungen im Hause durch Familienangehörige traten auf. Körpertherapeut*innen berichteten, dass es viel schwieriger war, die Feinmotorik und Mimik zu lesen und in den Therapieprozess aufzunehmen. Die psychische Präsenz in der therapeutischen Begegnung ist anders als im Face-to-Face-Setting.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Umstellung gut gelungen ist und Online-Therapie wohl auch über die Covid-19-Phase hinaus einen grösseren Platz in der psychotherapeutischen Versorgung einnehmen wird, weil auch deren Vorteile erkannt wurden.
Auch wenn Psychotherapeut*innen während der Pandemie keine «frontline-workers» waren und keine Leben in Spitälern retteten, so haben sie doch einen gesellschaftlich wichtigen Beitrag geleistet zur individuellen Bewältigung der Pandemie und ihren Folgen.
Diese Studie wird der Präsidentin der Europäischen Kommission, den Gesundheitsminister*innen der EU-Länder, «policy makers» und weiteren bedeutenden Kreisen übergeben, um zu belegen, wie wichtig der Beitrag der Psychotherapeut*innen im Mental-Health-Sektor ist.
Peter Schulthess ist Vorstandmitglied der ASP und vertritt diese gemeinsam mit Gabriela Rüttimann in der EAP. Er ist Vorsitzender des SARC in der EAP.