Dr. Eva Mückstein, Präsidentin
Bericht aus dem ÖBVP
Sehr geehrte Leserinnen! Sehr geehrte Leser!
Was die Berufspolitik in Österreich bewegt …
Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen die aktuellen berufspolitischen Themen des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie vorstellen.
Akademisierung der Psychotherapieausbildung
Die psychotherapeutischen Fachvereinigungen bereiten sich auf eine Novellierung des Psychotherapiegesetzes im Jahr 2013 vor. Dabei steht die Akademisierung der Psychotherapieausbildung stark im Vordergrund. Beim letzten Treffen der Ausbildungseinrichtungen im März 2012 wurde weiter an der Erstellung eines Konsenspapiers zur Akademisierung der Psychotherapieausbildung gearbeitet. Mit „Akademisierung“ sollen die Bereiche Ausbildung, Lehre und Forschung umfasst sein. Die Ausbildung nach Bologna-Kriterien soll künftig mit einem psychotherapiespezifischen akademischen Grad/Titel verbunden sein. Die Eintragung in die PsychotherapeutInnen-Liste wäre damit künftig an einen Studienabschluss mit Graduierung gebunden, wobei ein Mindestalter von 28 Jahren aufrecht erhalten bleiben soll. Zu den Themen Zugangsberufe und Übergangsbestimmungen sind noch weitere Überlegungen anzustellen.
Anschließend referierte Hon.-Prof. MR Mag. Dr. Michael Kierein vom Gesundheitsministerium über die Novellierung des PsychologInnen-Gesetzes, das möglicherweise noch heuer in die Begutachtung gehen und zur parlamentarischen Beschlussfassung kommen wird. Die Novellierung des PsychologInnen-Gesetzes ist für die PsychotherapeutInnen in Österreich deshalb von großem Interesse, weil die beiden Berufsgesetze in wesentlichen Abschnitten Analogien und Übereinstimmungen aufweisen und daher wechselseitig ein Präjudiz für Novellierungen und künftige Entwicklungen darstellen.
Säuglings-, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
Im Forschungsausschuss des Psychotherapiebeirates wird derzeit eine Richtlinie für die Qualifikation zur Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn erarbeitet. Im Vorfeld dieser Ausschussarbeit hat sich die Frage gestellt, ob die Säuglings-, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie über einen speziellen Praxisnachweis hinaus, eine spezifische Weiter- oder Ausbildung erfordert. Derzeit zeigt sich die Tendenz, einen Teil der Lehrinhalte in das Propädeutikum und die fachspezifische Ausbildung zu integrieren und darauf aufbauend eine Weiterbildung zu konzipieren. Die Weiterbildungsleitlinie des ÖBVP dient als Grundlage für die Entwicklungsarbeit. (www.psychotherapie.at/richtlinien-des-bundesministeriums). Dr.in Susanne Skriboth-Schandl, Dr.in Barbara Burian-Langegger und Dr.in Eva Mückstein vertreten den ÖBVP im Forschungsausschuss des Gesundheitsministeriums.
Neues aus dem Psychotherapie-Beirat
Die neue Werberichtlinie enthält wichtige Bestimmungen für PsychotherapeutInnen und ihre Präsentation in der Öffentlichkeit. Beispielsweise wurde die Vermischung von Esoterikangebote mit psychotherapeutischen Angeboten als unzulässig erklärt. Die Richtlinie finden Sie unter www.psychotherapie.at/richtlinien-des-bundesministeriums.
Im Ethikausschuss wurde ein Zusatz zum Berufskodex erarbeitet, der die Beziehung (wirtschaftliche, persönliche, sexuelle …) zwischen PsychotherapeutInnen und PatientInnen nach Abschluss einer Psychotherapie betrifft. Es wurde eine Karenzzeit von zwei Jahren empfohlen.
Den neuen Berufskodex für PsychotherapeutInnen finden Sie auf der ÖBVP-Website unter www.psychotherapie.at/richtlinien-des-bundesministeriums.
Core Competencies
Dieses Projekt der EAP (European Association for Psychotherapy) hat die Kompetenz- und Tätigkeitsbeschreibung der PsychotherapeuInnen zum Ziel, als Grundlage für eine EU-Regelung der Berufsgruppe als eigenständige Disziplin mit wissenschaftlicher Fundierung. Die Arbeitsgruppe im ÖBVP hat begonnen, die Österreich-Position zu erstellen. www.psychotherapy-competency.eu
Psychotherapeutische Versorgung im Regierungsübereinkommen – Regierung säumig
Nach wie vor krankt das österreichische Psychotherapie-System an den bekannten Systemfehlern. Die gesamte Versorgungsverantwortung für die kassenfinanzierte Psychotherapie wurde von den Kassen „outgesourct“ und privatisiert, indem sie in die Hände von „Versorgungsvereinen“ gelegt wurde. Die kassenfinanzierte Psychotherapie wurde auf niedrigem Niveau kontingentiert. Die Folgen mit gravierenden Nachteilen für die PatientInnen sind ein stagnierender und beschämend geringer Versorgungsgrad von 0,8 Prozent der Bevölkerung, ein ungeregelter Zugang zur Psychotherapie und enorme volkswirtschaftliche Kosten für Nicht- und Fehlbehandlung. Gerade einmal 65.000 Personen befinden sich in Österreich in Psychotherapie, wobei sich rund die Hälfte der Versicherten die Behandlung fast vollständig aus der eigenen Tasche finanzieren muss. Für die Zukunft ist das kein gangbares Modell. Die weiteren Gespräche werden deshalb verstärkt auf die gesetzlich vorgesehene Verantwortungsübernahme durch die Kassen und auf eine vertragliche Bindung der Kassen mit der Berufsvertretung und auf die Einführung der Kostenerstattung abstellen. In den zahlreichen kürzlich geführten Gesprächen mit KassenvertreterInnen und VertreterInnen der Sozialpartner wurden die Vertragsmodelle des ÖBVP besprochen. Von Seiten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wurde rückgemeldet, dass eine kasseninterne Arbeitsgruppe zur Psychotherapie eingerichtet wurde, die sich mit zukünftigen Versorgungskonzepten beschäftigt.
Zur Erinnerung: Die Koalitionsregierung SPÖ/ÖVP hatte zu Beginn der Funktionsperiode den Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung ins Regierungsprogramm aufgenommen. Trotz der unentwegten Bemühungen der Berufsvertretung blieb die Regierung bislang aber untätig! 2013 stehen bereits wieder Nationalratswahlen bevor. Es bleibt abzuwarten, ob die EntscheidungsträgerInnen ihre Zusagen in letzter Minute doch noch einhalten werden.
Ich freue mich über Debatte und Rückmeldungen und wünsche Ihnen eine gute Sommerzeit.
Herzliche Grüße
Ihre Eva Mückstein