Renate Lackner, Vorstandsmitglied DVP

Bericht aus dem schulen- und berufsübergreifenden Deutschen Dachverband für Psychotherapie

Wie bereits in der vorherigen Ausgabe angekündigt, beschäftigten wir uns in Kooperation mit dem BAPt e.V. mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und stellten einen dringenden Handlungsbedarf fest. Das KHRG ist seit dem 1.9.2009 in Kraft und sieht vor, auch im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik ein System von leistungsorientierten pauschalisierten Tagesentgelten einzuführen, nach denen sich die Kliniken bereits ab 2013 finanzieren werden. Der Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammer von 2009, das Psychotherapeutengesetz auf die stationäre Behandlung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken anzuwenden, wurde in der derzeitig gültigen OPS (Leistungserfassung in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen mit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel) aufgegriffen. Das bedeutet, dass ausschließlich ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen und DiplompsychologInnen unter Supervision mit den vom Wissenschaftlichen Beirat anerkannten Verfahren in Kliniken psychotherapeutisch tätig sein dürfen.

Alle bislang psychotherapeutisch tätigen KollegInnen (DiplompsychologInnen, DiplompädagogInnen, SozialpädagogInnen und anderen akademischen Abschlüssen mit entsprechender psychotherapeutischer Zusatzqualifikation und dem HPG) wird damit die Grundlage für ihre Weiterbeschäftigung im psychotherapeutischen Bereich entzogen. Sie können weder in der Psychoedukation noch in der Gruppentherapie tätig sein, sondern werden mit der Ergotherapie, der Arbeitstherapie und der Entspannungstherapie z.B. unter dem Begriff der Sozial- oder Spezialtherapie zusammengefasst.

Wie auf einer berufspolitischen Veranstaltung auf den Lindauer Psychotherapietagen zu hören war, ist in den kommenden Jahren mit ca. 1200 approbierten Absolventen der Ausbildungsinstitute zu rechnen, die sich nicht niederlassen können, da es keine Ausweitung der Kassenzulassungen geben wird. Es wird vielmehr überlegt, dass Kassensitze nicht mehr weitergegeben bzw. verkauft werden können, sondern von den Psychotherapeutenkammern aufgekauft und in strukturschwachen Gebieten angeboten werden. Zudem wird im Rahmen der Reform der Psychotherapeutenausbildung diskutiert, DiplomsozialpädagogInnen nicht mehr zur Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zu zulassen.

Wissenschaftlich ist das – wie Studien von Watson und Leichsenring zur Wirksamkeit von Psychotherapie zeigen – nicht haltbar, was wirkt, ist nicht die Methode, sondern zu einem großen Prozentsatz die Persönlichkeit der TherapeutIn und die Qualität der therapeutischen Beziehung (Grawe). Die Begrenzung auf die derzeit wissenschaftlich anerkannten Verfahren im stationären Kontext bedeutet den Verlust der Methodenvielfalt in der deutschen Psychotherapielandschaft. Wer strebt noch eine gestalttherapeutische Ausbildung, eine körperpsychotherapeutische oder musiktherapeutische Weiterbildung an, nur um einige davon betroffene Therapieverfahren zu nennen, wenn er damit nicht mehr psychotherapeutisch arbeiten darf, sondern nur noch sozial- bzw. spezialtherapeutisch und höchstwahrscheinlich mit einer wesentlich schlechteren Bezahlung.

Nur die Therapieverfahren, die bereits in den Fallpauschalen (DRGs) verankert sind, werden zukünftig finanziert sein. Von daher ist es enorm wichtig, die Mitwirkungsmöglichkeit beim OPS über ein jedes Jahr stattfindendes Vorschlagsverfahren - vom 1.12.2011 bis zum 28.02.2012 - wahrzunehmen. Das Entgeltverfahren und damit auch die Vergütung sind noch nicht endgültig abgeschlossen.

Um dies vorzubereiten, laden wir in Kooperation mit dem BAPt e.V. alle betroffenen Verbände am 3.9.2011 zu einem Erfahrungsaustausch nach Fulda ein. Zunächst gilt es, die bisherigen Aktionen und Erfahrungen der einzelnen Verbände zusammenzutragen und einen einheitlichen Sachstand herzustellen. Im zweiten Schritt regen wir an, eine Kommission zu bilden und ein Positionspapier zu erarbeiten, mit dem wir gemeinsam beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) vorstellig werden. Es ist wichtig, dass wir die Interessen der nicht kassenzugelassenen PsychotherapeutInnen selbst vertreten. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass unsere Mitglieder mit ihren vielfältigen Qualifikationen weiterhin stationär psychotherapeutisch tätig sein können bzw. auch entsprechend ihren Leistungen vergütet werden.

Zudem gilt es, auf die durch das ECP geprüfte Qualifikation der ECP-Holder hinzuweisen und entsprechend der europäischen Entwicklung mehr Beachtung zu verschaffen. Dazu hat eine Kollegin aus Baden-Württemberg einen wichtigen Beitrag geleistet. Sie hat unter dem Hinweis auf die hohen Standards, die für das Europäische Zertifikat für Psychotherapie nachzuweisen sind, ohne weitere Prüfung die Erlaubnis als Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie arbeiten zu dürfen, erhalten. Involviert waren das Gesundheitsamt Heilbronn, das Sozialministerium und das Regierungspräsidium in Baden Württemberg, ausschlaggebend für die positive Entscheidung sei die Stellungnahme der Landespsychotherapeutenkammer gewesen. Laut der Kollegin gelte dieses Vorgehen nun für alle ECP-Holder in Baden-Württemberg. Es empfiehlt sich für ECP-Holder auch in anderen Bundesländern entsprechende Anträge einzureichen.

Wir müssen uns mit den aktuellen berufspolitischen Entwicklungen befassen. Das Forschungsgutachten zur Ausbildung von PP und KJP, das im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit 2009 erstellt wurde, empfiehlt eine Revision des Heilpraktikergesetzes und eine Aufhebung der dort verankerten Psychotherapieoption. Würde dieser Empfehlung gefolgt, wären erneut zahlreiche Kollegen und Kolleginnen davon betroffen. Die Bestrebungen der Psychotherapeutenkammern, dass Psychotherapie zukünftig nur noch von approbierten PsychotherapeutInnen durchgeführt werden dürfen, sind nicht gerechtfertigt und würden einen massiven Einschnitt in die psychotherapeutische Versorgung darstellen. Mehr dazu im nächsten Heft.

Ich hoffe, mit diesem kurzen Einblick in die berufspolitische Situation in Deutschland Ihr Interesse wecken zu können.