Berichte

Eva Mückstein, Präsidentin

Bericht aus dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie

Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen!

Sie halten nun anstatt des altbekannten „Supplements” des Psychotherapieforums das erste Heft für Berufsentwicklung in Händen. Das ist eine Neuerung im Zusammenhang mit der Umstellung des Psychotherapieforums auf eine Open-Access-Zeitschrift, die „Psychotherapie Wissenschaft”. Mit dieser Umstellung verbinden die drei Herausgeberverbände den Wunsch, sowohl wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich der Psychotherapie, als auch Informationen über die Berufsentwicklung in den Ländern Schweiz, Deutschland und Österreich einer breiten Öffentlichkeit über das Internet frei zugänglich zu machen. Die neue Zeitschrift „Psychotherapie Wissenschaft" erhalten die Mitglieder des ÖBVP zunächst zusätzlich auch noch in einer Print-Version. Langfristig streben wir aber den Umstieg von der Printausgabe auf die Online-Version an.

Auf das Feedback unserer Mitglieder sind wir schon sehr gespannt. Wir laden Sie deshalb auch gleich ein, auf der Homepage vorbei zu schauen unter www.psychotherapie-wissenschaft.info

Wichtigstes Ziel kassenfinanzierte Psychotherapie

Der ÖBVP verfolgt die Kassenfinanzierung der Psychotherapie mittels eines Gesamtvertrages nach wie vor mit oberster Priorität. Ein neuer Anlauf könnte nun gelingen!

Die spätmodernen Gesellschaften erleben einen Trend zur Ungleichheit, Armut und Deprivation, zur Konsumgesellschaft, zur manipulierten Individualisierung und zur zunehmenden Organisation und Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Leistungs-, Konkurrenz- und Einsparungsdruck am Arbeitsplatz führen zu einer Dysbalance zwischen individuellen Anforderungen und Ressourcen. Daraus resultiert ein Zuwachs an psychischen Störungen. Bei den Ursachen für Invaliditätspensionen stehen in Österreich psychische Störungen mittlerweile an erster Stelle. Das hat nun auch die Gesundheits- und SozialpolitikerInnen hellhörig werden lassen. Die Psychotherapie als kosteneffiziente und nachhaltig wirksame Behandlung bei psychischen Störungen ist verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt.

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Rudolf Hundstorfer, hat kürzlich dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger den Auftrag erteilt, Gespräche mit dem ÖBVP über Vertragsverhandlungen aufzunehmen. Auch der Bundesminister für Gesundheit, Alois Stöger, hat sich für die Ausweitung der psychotherapeutischen Versorgung ausgesprochen, wobei in einem ersten Ausbauschritt ein Versorgungsgrad von einem Prozent der Bevölkerung erreicht werden soll.

Der ÖBVP hat für den Psychotherapie-Versorgungsausbau der Bevölkerung ein Gesamtvertragsmodell erarbeitet, das sowohl die im österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vorgesehenen Strukturelemente eines Gesamtvertrages - freier und gleicher Zugang zur State-of-the-Art-Krankenbehandlung, Behandlungsautonomie, Parität der Interessenvertreter,… - mit den im ASVG festgelegten Qualitätskriterien von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, Therapiewahlfreiheit etc. - als auch bewährte Elemente aus den derzeit bestehenden Kontingentverträgen in sich vereint. Bei Interesse informieren Sie sich über die Details unter www.psychotherapie.at.

Jahresbericht zur Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich

Für den Jahresbericht der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit hat der ÖBVP den Stand und die Perspektiven für die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen dargestellt. Bei Interesse finden Sie den Bericht auf der Homepage des ÖBVP unter www.psychotherapie.at/sites/default/files/files/ki-plus-jugend/KiJu_Bericht_2010.pdf.

Dialog der methodenspezifischen Ausbildungseinrichtungen

Der ÖBVP hat ein Dialogtreffen der fachspezifischen Ausbildungseinrichtungen initiiert, da es gilt, die in denletzten Monaten zersplittert und uneinheitlich erfolgten Veränderungen zu reflektieren und erwünschte, zukünftigen Entwicklungen im Ausbildungsbereich im Dialog der VertreterInnen der Fachvereinigungen zu gestalten. Im Zentrum der Überlegungen steht derzeit – im Kontext mit einer möglichen Novellierung des Psychotherapiegesetzes im Jahr 2013 - die durchgängige Akademisierung der Psychotherapie, wobei mehrheitlich die Ansicht vertreten wird, dass sowohl die Anbindung der Fachspezifika an den universitären Wissenschaftsbetrieb als auch die Akademisierung des psychotherapeutischen Berufes anzustreben ist. Über den Weg dahin besteht noch kein klares und eindeutiges Bild. Linie des ÖBVP ist es, die Methodenspezifität und einen in sich geschlossenen, auf Persönlichkeitsentwicklung ausgerichteten Lernweg zu erhalten, der die Identifikation mit einem bestimmten Menschenbild und seinen theoretischen und methodischen Grundannahmen fördert. Grundsätzlich soll die Modularisierung bzw. die Verschulung der Psychotherapieausbildung nach Möglichkeit hintan gehalten werden.

Dazu ein kurzer Abriss zur Psychotherapieausbildung in Österreich für unsere Deutschen und Schweizer KollegInnen:

Das österreichische Psychotherapiegesetz schreibt einen sehr genauen Ausbildungsablauf vor: Unabhängig von der konkreten Psychotherapierichtung umfasst die Ausbildung mind. 3215 Stunden. Davon fallen 1065 Stunden auf den Erwerb theoretischer fachlicher Kompetenz (765 Stunden im Propädeutikum und 300 Stunden im Fachspezifikum) und mind. 2150 Stunden Erwerb praktischer fachlicher Kompetenz (550 Stunden im Propädeutikum und 1600 Stunden im Fachspezifikum). Bei den meisten Psychotherapieschulen dauert die komplette Ausbildung (d.h. Theorie und Methodik, Eigentherapie und erste supervidierte Praxiserfahrungen) daher auch mindestens 5 Jahre.

Im Propädeutikum wird einerseits erlernt, auf welchem wissenschaftlichen Fundament sich die Psychotherapie bewegt, andererseits wird im Rahmen von Selbsterfahrung und der dadurch gleichzeitig in Gang gesetzten Reflexion erfahren, ob sich die Person überhaupt für den Beruf der PsychotherapeutIn eignet. Die Erfahrungen mit verschiedenen Methoden erleichtern die Wahl einer spezifischen Psychotherapiemethode, die nachfolgend im Fachspezifikum theoretisch erlernt und praktisch erfahren wird.

Nach absolviertem Aufnahmeverfahren der gewählten Psychotherapierichtung beginnt die 3- bis 4-jährige fachspezifische Ausbildung, das sogenannte „Fachspezifikum”. Im Fachspezifikum werden weiterhin methoden-spezifische Theorie und Methodik erlernt. Ein Hauptfokus der Ausbildung liegt aber auch auf der psychotherapeutischen Selbsterfahrung, der Lehrtherapie, die mindestens 120 Stunden bzw. einige Jahre in Anspruch nimmt und der Persönlichkeitsentwicklung sowie Selbstreflexion dient, um emotionale und methodisch-technische Belastungen des zukünftigen Berufes zu meistern.

Ab der Praxiszulassung dürfen Psychotherapie-AusbildungskandidatInnen unter dem Titel „in Ausbildung unter Supervision (i. A. u. S.)” bereits selbst psychotherapeutische Behandlungen anbieten. Sie stehen dabei aber noch unter besonderer Betreuung (Praxissupervision) bei LehrtherapeutInnen, um ihr eigenes psychotherapeutisches Handeln fachlich und persönlich intensiv zu reflektieren.

Einige Psychotherapieverfahren können in Österreich teilweise auch im Rahmen eines Universitätsstudiums mit akademischem Abschluss erlernt werden.

Psychotherapie ist immer ein „Sich-Einlassen auf eine andere Person”. Wie in Wirksamkeitsuntersuchungen (z. B. Grawe) bestätigt wurde, ist die nach fachlichen Kriterien aufgebaute psychotherapeutische Beziehung der zentrale Faktor der heilsamen Wirkung von Psychotherapie. Damit sich die psychotherapeutische Beziehung heilsam auswirken kann, muss der Beziehungsgestaltung in der Psychotherapieausbildung besonders Rechnung getragen werden.

Ich hoffe, sowohl den österreichischen, als auch den deutschen und den schweizerischen KollegInnen mit diesen aktuellen und allgemeinen Ausführungen einen interessanten Einblick in die aktuelle berufspolitische Arbeit des ÖBVP und die Psychotherapiegesetzgebung in Österreich gegeben zu haben.