Vom Inkubationsritus zur Psychotherapie

Autor/innen

  • Tania Re

DOI:

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2019-1-53

Schlagworte:

Asklepios (Äskulap), Epidauros, sapientale Medizin («Weisheitsmedizin»), Tempelmedizin, Inkubationsheiligtum, «Meisterpflanzen», Schamanismus

Abstract

Ursprünglich, im Westen, war die Medizin, die die Pflege von Körper, Geist und Seele betraf, eine divinatorische Kunst. Im Laufe der Zeit hat der Begriff «Weissagung» seine ursprüngliche Bedeutung verloren, im Vergleich zur Antike und insbesondere zur archaischen griechischen Welt, wo er einen enormen Wert hatte. Die Kunst des Asklepios (Äskulap) ist, wie die seines Vaters Apollo, eine göttliche Kunst, die ein Heilritual voraussetzt. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die historisch-anthropologische Forschung in vielen Kulturen des schamanischen Typs (Südamerika, Sibirien, Indien) im therapeutischen Bereich eine sehr alte Verwendung von «Meisterpflanzen» oder Pflanzen aufzeichnet, die es aufgrund ihrer Eigenschaften ermöglichen, «aussergewöhnliche Bewusstseinszustände» zu erreichen. Diese Bewusstseinszustände können durch verschiedene Praktiken wie Meditation, holotropes Atmen, Yoga, sensorische Entbehrung oder sogar spontan wie bei den christlichen Mystikern entstehen. Die von den Forschern beschriebenen aktuellen Erfahrungen liefern uns sehr ermutigende Daten über den Nutzen dieser Art von Erkenntnissen. Die in den USA und in Europa, in Spanien und der Schweiz entwickelte Forschung folgt tendenziell Forschungsprotokollen, in denen das Set (der aktuelle Stand, aber auch die klinische und biographische Geschichte des Patienten), das Setting (das Umfeld, in dem die Erfahrung stattfindet) und die Substanz (Art, Dosierung, Qualität und Quantität) eine grundlegende Rolle spielen. Die Herausforderungen für die Zukunft im psychotherapeutischen Bereich über den therapeutischen Einsatz psychoaktiver Substanzen sind nach wie vor vielfältig, eine echte Möglichkeit könnte darin bestehen, den rituellen Einsatz von Substanzen durch die Kombination von Vergangenheit und Gegenwart, altem Wissen und moderner Wissenschaft im Dienste der Pflege zu revitalisieren.

Autor/innen-Biografie

Tania Re

Tania Re, diplomiert in klinischer und Gemeindepsychologie, ist Anthropologin mit den Schwerpunkten Medizinethnologie (Medical Anthropology) und Ethnomedizin; sie ist als ergänzende Therapeutin und Psychologin in der Schweiz tätig. Als Gründungsmitglied der Cattedra Unesco «Antropologia della salute, Biosfera e sistemi di cura» (UNESCO-Lehrstuhl für «Gesundheit, Anthropologie, Biosphäre und Behandlungssysteme») an der Universität Genua (IT) und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Regionalen Zentrum für Phytotherapie der Toskana (CERFIT) – Careggi University Hospital Florenz (IT) ist sie am Studium der Behandlungssysteme interessiert, die aus traditionellen Heilpraktiken stammen und Geist, Körper und Seele verknüpfen.

Veröffentlicht

01.04.2019

Zitationsvorschlag

Re, T. (2019). Vom Inkubationsritus zur Psychotherapie. Psychotherapie-Wissenschaft, 9(1), 53–59. https://doi.org/10.30820/1664-9583-2019-1-53

Ausgabe

Rubrik

Titelthema: Kultur, Religion und Psychotherapie